Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Herzogtum Geldern


von Ralf G. Jahn

Inhaltsverzeichnis

Einführung    Die Wirtschaftslandschaft am unteren Niederrhein     Die Landwirtschaft im Herzogtum Geldern     Die sozialen Verhältnisse     Die herzogliche Finanzverwaltung     Die geldrischen Städte     Märkte und Binnenhandel     Lombarden und Juden    Der Außenhandel    Zölle    Hanse    Die sozialen Schichten in der Stadt Geldern    Die Zünfte im Herzogtum Geldern    Das Bier    Die Tuchfabrikation    Die Wirtschaftskrise im 16. Jahrhundert    Literatur     Endnoten
 
 

Stadt Geldern um 1615

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Einführung

Dieser Aufsatz soll einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Herzogtums Geldern, insbesondere des Oberquartiers verschaffen. Wenngleich in der Forschung einzelne Aspekte bereits ausführliche Behandlungen erfahren haben, steht eine Gesamtmonographie noch aus. [1]

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Die Wirtschaftslandschaft am unteren Niederrhein

Die Wirtschaftslandschaft am unteren Niederrhein lag in der Berührungszone zweier großer Wirtschaftsräume: des hansischen und des flandrisch-brabantischen Wirtschaftsgebietes und stand unter dem Einfluss der rheinländischen Metropole Köln. Köln beherrschte den stromab gehenden Handel mit Rheinwein, der im ganzen rechtsrheinischen Gebiet bevorzugt getrunken wurde, und den stromauf gehenden, in Harderwijk und Kampen konzentrierten Handel mit Heringen und Fischen. Es war Markt und Verteiler der gesamten in Deventer zusammenkommenden Butter und Käseerzeugnisse und für einen Großteil des ostniederländisch-friesischen Viehhandels, der in Kampen und Arnheim über bedeutende Viehmärkte verfügte. Köln war insbesondere der große Rheinstapelplatz, von dem aus die niederländischen Anlieferungen an ganz Westfalen und West- und Süddeutschland vermittelt wurden, umgekehrt der Rheinwein den niederländischen Gebieten. [2]

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Die Landwirtschaft im Herzogtum Geldern

Das Herzogtum Geldern in Verbindung mit der Grafschaft Zutphen grenzte nördlich an die Zuidersee, östlich an Overijssel, Münster, Kleve und Moers, südlich an Jülich und Brabant, westlich an Holland und Utrecht. Das Land wurde von vier Hauptflüssen, die IJssel, den Rhein (Lek), die Waal und die Maas durchströmt, gegen deren Überschwemmungen es bereits im 13. und 14. Jh. durch Deiche geschützt war. [3] Deichbau und Entwässerung [4] waren Gegenstand landesherrlicher Fürsorge und Kontrolle. [5] Sie wurden durch die Einbindung in die normale territoriale Verwaltung – im Herzogtum Geldern war das Amt des Deichgrafen mit dem des Amtmannes verbunden [6] – als eine öffentliche, landesherrliche Aufgabe begriffen. Dies garantierte nicht nur die gerade auf diesem Gebiet nötige Sorgfalt und Arbeitseffektivität, sondern wirkte zugleich legitimierend und stabilisierend auf die territoriale Ordnung des politischen Lebens selbst zurück. [7]

Deichverbände. Entwässerungs- und Hochwasserprobleme führte nach ersten Ansätzen zur gemeinschaftlichen Regelung der Entwässerung dazu, dass zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch in der Grafschaft Geldern in Anlehnung an die holländischen Vorbilder im Zuge der Ämterbildung große regionale Deichverbände entstanden. Innerhalb von knapp 50 Jahren verfügte somit jedes Amt über ein geschriebenes Deichrecht, das den Deichunterhalt mehr oder weniger detailliert regelte. Die geldrischen Deichrechte liegen meist in Form von Deich- und Landbriefen für die einzelnen Verwaltungsbezirke vor, durch die die Befugnisse der Deichstühle festgelegt und der Ablauf der Deichschautage geregelt, also Rechtssicherheit geschaffen wurde. In den verschiedenen Herrlichkeiten, deren adelige Herren sich ihre jurisdiktionelle Selbstständigkeit gegenüber den Grafen und späteren Herzögen von Geldern bewahren konnten, aber entstanden eigenständige Deichschaubezirke. Eine regelmäßige Zusammenarbeit war hier nur in begrenztem Umfang möglich. [8]

Der größte Teil des Bodens war mit Eichen- und Buchenwaldungen bedeckt, welche erst nach und nach gerodet und in Ackerland umgewandelt wurden. Der bedeutendste Wald war ohne Zweifel der in der Gegend von Nimwegen, Kleve und Goch gelegene Reichswald. Die Könige ließen denselben, der zur Kaiserpfalz von Nimwegen gehörte, [9] durch besondere Waldgrafen verwalten. Heinrich III. schenkte einem der Letzteren im Jahre 1040 die Villa Grosbeeck, deren Besitzer (die Herren von Grosbeeck) später als erbliche Inhaber dieses Amtes auftreten. Im Laufe der Zeit ging der Reichswald an die Grafen von Geldern und Kleve über; nur einen kleinen Teil desselben besaß im Jahre 1259 das Stift Xanten. Über die beiderseitigen Berechtigungen zu diesem Walde entstanden während des 13. Jh. große Streitigkeiten zwischen den beiden genannten Grafen. Nach einer Übereinkunft vom Jahre 1257 sollte der Graf von Kleve jährlich 1.200 Schweine zur Mast in denselben hineinschicken dürfen; im Jahre 1266 wurde dieser Vertrag auf 8 Jahre verlängert unter der Bestimmung, dass keiner der beiden Parteien darin Holz fällen sollte, um zu roden. Graf Rainald I. entsagte am 14. Oktober 1283 zugunsten des Grafen von Kleve seiner Ansprüche auf den Reichswald; aber bereits am 14. Oktober 1331 fand der klevische Graf Dietrich sich veranlasst, denselben wieder an den Grafen Rainald II. von Geldern zu verkaufen. Von nun an blieben die geldernschen Grafen im Besitz des Reichswaldes, indem sie regelmäßig vom Reich damit belehnt wurden; nur ein Teil desselben, der klevische Wald blieb den Grafen von Kleve. [10]

Zu den Waldungen im Oberquartier von Geldern und in dessen unmittelbarer Nähe gehören die Littart, ein Besitz der Grafen von Geldern, mit dem nahen Wald Hasloch zwischen Vluyn und Homberg, welche beide bereits im 9. Jh. urkundlich erwähnt werden; der Wald in der Villa Geizefurth, worin 1.000 Schweine ihre Mast fanden; der Urselwald in der Gegend zwischen Xanten und Sonsbeck, den das Stift der ersteren Stadt seit dem Jahre 1265 allmählich urbar machen ließ; der Echter und Elmpter Busch (1276); der Wald Rynclaer zwischen Montfort und Odilienberg (1342); der zu Gribbenvorst (1335). Auch die Gegend von Straelen war in der 2. Hälfte des 14. Jh. sehr bewaldet, da dort im Jahre 1360 drei Förster beschäftigt waren. [11]

Es darf angenommen werden, dass die flandrischen Flamenses, aus denen das geldrische wie das klevische Grafenhaus hervorgegangen ist, im 11. Jahrhundert als königliche Vertrauensleute zur Verwaltung und Beaufsichtigung der ausgedehnten Reichsforsten an den Niederrhein genommen sind. Auf sie ist nach dem Niedergang der Reichsgewalt die Hoheit über diese Forsten de facto übergegangen; sie wurde ausgeweitet zu einem Herrschaftsanspruch über alles unerschlossene, d.h. konkret: unvermessene, unparzellierte Wald-, Heide- und Bruchland. Die Verfügungsgewalt über die terra inculta, ihre herrschaftlich gesteuerte Erschließung im Sinne landwirtschaftlicher Nutzung und die landesherrlich organisierte wie kontrollierte Sicherung des Neulandes gegen eine erneute Verwüstung durch natürliche Unbilden stellen nach Janssen eine wesentliche Grundlage, ein treibendes Motiv und eine eindrucksvolle Rechtfertigung der Territorialbildung am Niederrhein dar. [12]

Das rheinisch-westfälische Holz wurde in Zutphen gesammelt und zersägt. Zutphensche Planken erscheinen von 1354–1438 ständig in den Stadtrechnungen Brügges, auch Kampen und Amsterdam werden dabei erwähnt. Später wehrte sich Brügge gegen die Einfuhr bearbeiteter Produkte, da der Import zersägten Holzes in Brügge Arbeitsplätze vernichtete. Im Statut der Säger von 1360 wird unter Anspielung auf Zutphen die Einfuhr zersägten Holzes verboten. [13]

Große Bodenflächen lagen gänzlich wüst und unbebaut. Sie werden als Gemeinde (gemeente, communitas) bezeichnet. Zum Teil bestanden diese aus Heide, zum Teil aus Heide mit Bruchland (Veen) vermischt und dienten den Bewohnern der umliegenden Dörfer zur Viehtrift, zum Plaggenhauen, Torfstechen, Sandgraben usw. Zu den größeren Brüchen oder Veenen gehörte der schmale Sumpf, welcher nach älteren Karten sich von Dülken über Lobberich, Krickenbeck bis in die Gegend von Wachtendonk hinzog. Ein ähnlicher Sumpf erstreckte sich von Besel bis Venlo, wo er den Namen das Straelsche Veen trug; er fand eine Fortsetzung an dem Twistedener und Gaesdonker Veen, welches sich von Walbeck bis nach Blijenbeck hin ausdehnte. Auf dem linken Maasufer lag das große Veen die Peel; es erstreckte sich von Werth bis ins Land Kuik (Cuijk) und Ravenstein und nahm einen Teil der Fläche des Amtes Kessel ein. In einzelnen Gegenden, z. B. in der Umgegend der Stadt Geldern befanden sich viele Sümpfe, zumeist ehemalige Flussbette. [14]

Von Zeit zu Zeit wurden größere und kleinere Teile dieser Ödflächen urbar gemacht, indem sie in Parzellen (Slege) eingeteilt, durch eine Einfriedung vom Gemeindeeigentum getrennt (afgegraven) und gegen einen jährlichen Erbzins verpachtet wurden. Den Anlass dazu gaben in der Regel außerordentliche Gemeindeausgaben, die nicht durch die gewöhnlichen Einnahmen gedeckt werden konnten, z. B. für Schul- oder Kirchenbauten. Später wurde im Oberquartier ein sehr bedeutender Teil der Gemeindestrecken zur Abtragung der großen, durch die langjährigen Kriege entstandenen Schuldenlast verkauft. Es bedurfte hierzu einer landesherrlichen Erlaubnis (octroi), mit deren Erteilung stets die Entrichtung eines geringen jährlichen Erbzinses an die Domäne vorgeschrieben wurde. [15]

Das Ergebnis dieser Kultivierungsarbeiten war nicht nur die dringend notwendige Vergrößerung der landwirtschaftlichen Anbaufläche: die Erschließung des Neulandes vollzog sich unter der neuen Form der Landvergabe und einer freieren Rechtsstellung der Siedler. Ein Trend zur Egalisierung und Normierung ist dabei unverkennbar. Das wird angezeigt durch das Einheitsmaß der Neubruchmanse von 16 holländischen Morgen; [16] das gilt weiterhin für die durchgängige Vergabe des Bodens zu Erbzinsrecht, das dem Besitzer – unter Vorbehalt eines dem Landesherrn zu zahlenden mäßigen Zinses und bestimmte Besitzwechselgebühren – die volle Dispositionsgewalt, also ein Quasi-Eigentum, einräumt; [17] und das drückt sich schließlich in der Befreiung dieser Erbzinser von allen hofrechtlichen Bindungen und personalen Belastungen aus. [18] Sonderrechte und –pflichten bestimmter Personengruppen wurden eliminiert oder doch aus personalen Bindungen in Reallasten umgewandelt; es fand ein Angleichungsprozess aller Landesbewohner an die Schicht der persönlich freien Bürger und Erbzinser statt. [19] Die Entwicklung verlief in Richtung auf einen einheitlichen Untertanenverband. [20]

Während Roggen und Hafer schon sehr früh und in großen Mengen hier angebaut wurden, sind Weizen, Gerste und sonstige Getreidesorten erst viel später und auch in geringeren Mengen geerntet worden. Im Jahre 1340 befand sich im Oberquartier ein bedeutender Weizenanbau in den Ämtern Erkelenz, Roermond, Geldern und Goch, während Spelz in den Amtsbezirken Krickenbeck, Geldern und Goch, Gerste zu Roermond und Kessel gezogen wurde. [21]

Der Besitz und das Betreiben von Mühlen war ein grundherrliches Recht. Es ist verwunderlich, wie lange diese Rechte in den Städten mit ihren Privilegien Bestand hatten. Dort wo der Landesherr als Grundherr eine Mühle besaß, war es für eine Stadt fest unmöglich, in ihren Besitz zu kommen. Wenn der Landesherr aber nicht mit dem Grundherrn identisch war, hatte er auf das Mühlenwesen in seinen Städten nur geringen Einfluss. [22] In der Stadt Geldern musste z.B. die Bürgerschaft auf der 1294/95 erstmals erwähnten Burgmühle – eine Wassermühle des Grafen auf der Niers–, ihr Korn mahlen lassen. [23] Als Domäne hat sie auch in der Neuzeit den Mahlzwang bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation über die Stadt ausgeübt. [24] Der Eigentümer von Schloss Haag durfte zwar im 15. Jahrhundert ebenfalls eine Mühlenkarre seiner Willikschen Mühle durch einen Teil der Stadt fahren lassen, jedoch war dies nur ein zeitlich begrenztes Zugeständnis an den Erbmarschall, das zudem nicht mit einem Zwang für die Bürger verbunden war. [25]

Über alle anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse finden sich aus älterer Zeit entweder gar keine oder nur äußerst dürftige Nachrichten, sodass es unmöglich ist, ein auch nur einigermaßen zufrieden stellendes Bild über Obst- und Gemüsezucht zu geben. Für eine sorgfältige Obstbaumzucht spricht ein Zeugnis vom Jahre 1309, wo ein Baumschneider aus Goch angefordert wurde, um im Garten des Grafen zu Lobith die Bäume zu schneiden. Ohne Zweifel hat die Zucht von Obstbäumen im Oberquartier früher Eingang gefunden, als in den anderen Teilen Gelderlands, wo das Land zumeist aus Lehmboden bestand und in älterer Zeit häufig Überschwemmungen ausgesetzt war. Im Kloster Kamp hatte man 1473 Äpfel-, Birn-, Kirsch-, Pflaum- und Nussbäume, welche sich bereits in der Mitte des Monats März und Anfang April in Blüte befanden. Es ist überliefert, dass der Weinanbau in der unmittelbaren Nähe des Oberquartiers an verschiedenen Orten während des Mittelalters betrieben worden ist, obgleich derselbe bei der ungünstigen Beschaffenheit des Bodens und des Klimas schwerlich eine große Bedeutung erlangt haben wird. Am frühesten wurde im Kloster Kamp Wein gezogen, wo die ersten, aus Frankreich stammenden Mönche (1122) dessen Kultur eingeführt haben werden. Zur Zeit Karls von Egmond wurden bei Arnheim Weinberge angelegt. [26]

Der Fischfang war in den vielen Flüssen und Gewässern des Landes und namentlich in dem Zuidersee äußerst ergiebig. Zu den gewöhnlichen Flussfischen gehörten besonders Salm, Hecht, Aal, Karpfen und Neunaugen. Gleichbedeutend war wegen der vielen Waldungen die Jagd. Es kommen daher Hirsche, Rehe, wilde Schweine, Wölfe, Füchse, Hasen, Kaninchen und alle Sorten an Geflügel von jeher in Menge vor. Auch der Biber war in einzelnen Gegenden ziemlich häufig; im Stadtbezirk von Zutphen wurden in den Jahren von 1465-1550 nicht weniger als 71 Biber gefangen. [27]

Die vielen Waldungen trugen zugleich wesentlich zur Beförderung der Viehzucht bei. Die Schweine wurden in dieselben hineingetrieben und fanden dort an den abgefallenen Eicheln reichlich Mast. Im Reichswald hielt der Herzog von Geldern in der Mitte des 14. Jh. auch wilde Pferde unter einem besonderen Aufseher (custos vagorum equorum); im Jahre 1340 verkaufte man aus demselben 17 Fohlen. Die Wiesen wurden zur Viehtrift verwandt, während die ausgedehnten Heidestrecken zur Weide für die großen Schafherden dienten. Auf der Veluwe, wo die Schafzucht ohne Zweifel bedeutender war, hatte man im Jahre 1526 noch 58.728, auf Veluwenzoom 6.388 Schafe. Durch die Urbarmachung der Heideflächen ging die Schafzucht erheblich zurück. [28]

Von großem Umfang muss bereits im 14. Jh. die Hühnerzucht gewesen sein. Nach der Landesrechnung von 1340 entrichtete unter anderem das Amt Kessel jährlich 662, das Amt Krickenbeck 1.981 und das Amt Geldern 3.558 Hühner als Zins an den Herzog. Gänse scheinen zu jener Zeit im Allgemeinen wenig gezogen zu sein, da man deren einige durch den herzoglichen Hofmeister im Jahre 1342 zu Brüssel kaufen sieht, um sie nach Nimwegen zu senden. Ebenso kommen Schwäne nur selten vor; der Herzog besaß auf der Niers verschiedene Schwanentriften zu Grafenthal, Wetten und Geldern. [29]

Die Verpflichtungen, die anfangs an die Person des abhängigen Bauern gebunden waren, gingen im Laufe der Zeit auf den Besitz, d.h. Hof und Boden über, denn nur aus dem Ertrag des Hofes können Abgaben bezahlt werden. Arbeit ohne Grund und Boden reichte günstigenfalls zur ausreichenden Ernährung. Wenn auch zu Beginn dieser Umwandlung von Fronhofland in eigenständig bewirtschaftete Höfe viele Formen der Abhängigkeit bestanden, so findet man z.B. in Herongen im 16. Jahrhundert fast ohne Ausnahme Leibgewinnsgüter. Vererben oder verkaufen konnte man es schon, nur musste der Erbe oder Käufer neu behändigt werden. Ein solches Gut wurde an zwei Personen (Hände) auf Lebenszeit ausgegeben. Starb einer der beiden Behändigten, so musste eine neue Hand erworben werden (Kinder, Geschwister etc.). Üblich war im Falle der neuen Behändigung die Zahlung eines doppelten Jahreszins. Starb der zweite Behändigte, bevor die Abgabe für den Neubehändigten bezahlt war, fiel das Leibgewinngut an den Herrn zurück, es war ihm angestorben. Veränderungen am Hof, ganz besonders aber das Abreißen von Gebäudeteilen bedurfte des Einverständnisses des Grundherrn. [30]

Eine landesherrliche Abgabe, von der meisten Untertanen des Herzogs von Geldern zu Herongen betroffen waren, nannte sich Novalienzehnt (Neuzehnt). Wenn man seinen Hof vergrößern wollte und von der Gemeinde Land aus der Gemeinheit kaufte, um es urbar zu machen, bezahlte man den Kaufpreis an die Gemeinde. Von diesem Land musste zusätzlich eine laufende, jährliche Abgabe an den Landesherrn geleistet werden. Im Rechtsverständnis der Fürsten gehörte ihnen alles Land, folglich auch das Recht sich die Nutzung bezahlen zu lassen. In Herongen machte der Novalienzehnt den Hauptteil der an den Herzog von Geldern abzuführenden Zehnten aus. [31]

Reiche Einnahmequellen, große allodiale Besitzkomplexe, Vogteien und Grafenrechte bildeten aber noch kein Land, am wenigsten dann, wenn dies alles – wie im Herzogtum Geldern – von Maastricht bis an die Zuidersee gestreut war. In der Veluwe, der Betuwe, der alten Grafschaft Teisterbant verfügten die comites über Vogteien, Grafen- und Wildbannrechte, [32] aber nur über wenig Allod; ihr Allodialgut lag an der Maas und Niers, [33] aber dort hatten sie keine ursprünglichen Grafenrechte. [34]

Die Erschließung und Sicherung neuen Lebensraums für eine wachsende Bevölkerung bleibt die eigentliche Leistung des spätmittelalterlichen Territorialstaats am Niederrhein: Sicherung nicht nur gegen die Gefahren der Natur, sondern auch gegen die Gefahren sozialen und politischen Unfriedens. [35]

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Die sozialen Verhältnisse

Die schlechteste Rechtsstellung besaßen die Hörigen. Wesentliches Kennzeichen dieses Standes dürfte spätestens seit dem 14. Jahrhundert die außerordentlich hohe Sterbfallabgabe, die die Erben des verstorbenen Eigenhörigen an dessen Herrn zu entrichten hatten, empfunden worden sein. Sie betrug in der Regel bei Männern die Hälfte, bei Frauen ein Drittel des Nachlasses. Ein weiteres Merkmal waren die Kopfzinsen, eine jährlich anfallende Abgabe an den Herrn, die an der Person des Hörigen haftete. Weiter verbreitet dürfte jedoch die Heiratsgebühr gewesen sein, die aber um 1400 nicht mehr erhoben wurde. In Geldern wurden zudem nachweisbar seit dem 14. Jahrhundert den Eigenleuten Sondersteuern auferlegt. Im Landrecht der Oberbetuwe wurde 1445 festgelegt, dass Eigenleuten genauso wie unehelich Geborenen und für rechtlos erklärten Personen der Zugang zum Amt des Schöffen und des gerichtlichen Pfänders versagt war. Nach dem Kirchenrecht durften Hörige nicht Kleriker werden oder in einen Konvent eintreten. Ein besseren Status als die Hörigen hatte der Stand der Wachszinsigen oder Zensualen. Sie unterlagen den gleichen Zahlungsverpflichtungen wie die Hörigen, nur dass die Beträge erheblich gemindert waren und das ganze Institut einen anderen Ursprung als die Hofhörigkeit hatte. [36]

Neben den ritterschaftlichen Familien verblieben große Teile der bäuerlichen Bevölkerung in dem Stand der sogenannten Freidienstleute (Ministerialen). Von den Ständen der Unfreien war der Ministerialenstand der privilegierteste, weil daraus die Menschen mit verantwortlichen Funktionen rekrutiert wurden; diese kamen auch für die Ritterwürde in Betracht. In der Veluwe waren im 15. Jahrhundert die Hälfte der Bevölkerung Ministeriale, für die es ein eigenes Standesgericht gab. Im Spätmittelalter dürfte das wesentliche Merkmal der bäuerlich lebenden Ministerialen die Freiheit von den Verpflichtungen der Eigenleute und Wachszinser gewesen sein. Damit ist die Ministerialität dem Stand der Freien angeglichen.

Die geldrische Ritterschaft setzte sich aus drei Komponenten zusammen: aus Adligen, Ministerialen und nicht-adligen Freien, die jeweils ihre eigenen juristischen Standeskennzeichen hatten und behielten. Sie bildeten zusammen als soziale Elite der Gesellschaft bis ins 16. Jahrhundert eine offene Klasse. Von den in Geldern nicht sehr zahlreichen Adelsfamilien waren im Spätmittelalter eigentlich nur noch die Bannerherren übrig: die Herren von Bar, Batenburg, Berg, Bronckhorst und Wisch. Die anderen entstammten hauptsächlich der Ministerialität. [37]

Das Herzogtum Geldern war im Mittelalter die einzige Landesherrschaft in den nördlichen Niederlanden mit einer relativ großen jüdischen Bevölkerung. Zwischen 1350 und 1450 war das jüdische Leben hier besonders aktiv, vor allem in der Stadt Nimwegen. Nach 1450 nimmt die Zahl der Berichte über Juden im Herzogtum Geldern rapide ab. Aufgrund des zunehmenden Antijudaismus wollten viele Juden Geldern wörtlich „den Rücken kehren“ und zogen mehr oder weniger gezwungenermaßen in Richtung Ostdeutschland, Polen und Russland. Mit ihrem Wegzug endete 1488 die Geschichte der Juden in Geldern im Mittelalter. [38]

Im westlichen Stromgebiet des Herzogtums Geldern vollzog sich der Aufbau krasser sozialer Gegensätze innerhalb der Landbevölkerung, als mit der Schaffung großer Pachtbetriebe seit der Mitte des 14. Jahrhunderts und dem Abgang zahlreicher Familienbetriebe, die noch bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts das Bild bestimmten, eine Verarmung der Landbevölkerung, die nun zum großen Teil auf Lohnarbeit angewiesen war, im besonderen Ausmaß seit der Mitte des 16. Jahrhunderts einsetzte. Hier entstand eine dreiteilige ländliche Hierarchie: verpachtende Großgrundbesitzer, Großpächter und landlose Lohnarbeiter, Landproletariat. So entfiel in der Betuwe um 1500 auf 10 % der Landbesitzer (kirchliche Institutionen, Adelige, Bürger) fast die Hälfte des Landes. Auf die Hälfte der Besitzenden entfielen jedoch gerade einmal 10% des Landes. Auch im Oberquartier standen eine breite Unterschicht und eine kleine Mittelschicht einem geringen Anteil an wohlhabenden Bauern und Adligen gegenüber. Vor einer Verallgemeinerung muss jedoch gewarnt werden! [39] Um 1470 standen den großen sozialen Gegensätzen in den Gemeinden Echteld, IJzendoorn und Ochten an der Waal ausgeglichene Vermögensstrukturen in der Gegend von Sevenum im Land Kessel sowie regional recht unterschiedliche Verteilungen in der westlichen Veluwe gegenüber. [40] Die Besitzverteilung und die soziale Gliederung erscheinen folglich regional sehr unterschiedlich.

 

Die herzogliche Finanzverwaltung

Die Einkünfte der Herzöge flossen zum Teil aus den ihnen eigentümlich zugehörenden Höfen und bestanden aus Landpachten, Erbzinsen, welche meistens in natura errichtet wurden, Mai- und Herbstbeden, Schatzungen von hörigen Leuten und Gütern, Erträgen von Fischereien und Waldungen, Land- und Marktzöllen, der Gruit, Novalienzehnten usw. Außerdem genossen die Grafen und Herzöge die Einkünfte der Münze, der Zölle, des Geleitgeldes, der Schutzbriefe für Juden und Lombarden, der durch Vermögenskonfiskationen eingezogenen Güter, der Beute, Brandschatzungen und Lösegelder im Kriege usw.

Seit 1294/95 [41] war das Fest von Sankt Margerite (13. Juli) Beginn und Ende des Rechnungsjahres. Ursprünglich oblag die Finanzverwaltung den Amtmännern. Seit 1294 standen Rentmeister in den einzelnen Ämtern an der Spitze der herzoglichen Finanz- und Dominalverwaltung. Ihnen wurde um 1340 ein Landrentmeister vorgesetzt. Dieser prüfte die Rechnungen der lokalen Beamten, zahlte im Namen des Herzogs –oft als Vorschuss aus eigener Tasche- und lieh seinem Landesherrn größere Summen. Er trat in bestimmten Angelegenheiten im Namen des Herzogs auf und verrichtete Dienste wie alle anderen landesherrlichen Räte. [42]

Die einträglichste geldrische Zollstätte und verlässlichste Bargeldquelle für die geldrischen Landesherrn wurde Lobith, das dort liegt, wo der Rhein sich gabelte und der Schiffsverkehr in toto erfasst werden konnte. [43]

Steuern wurden nur mit Bewilligung der Landstände auf die Bitte des Herzogs erhoben und hießen daher auch Beden. Nur in einzelnen Fällen war er zu einer Notbede berechtigt.

Differenzierung der Verwaltungsstruktur. Um 1300 verkörperte innerhalb eines klar umrissenen Sprengels der Amtmann in seiner Person den Typ der Einheitsverwaltung, d.h. er vertrat den Landesherrn in allen seinen Rechten und Pflichten. Sobald sich der Amtmann als Repräsentant der landesherrlichen Gewalt schlechthin in einem Bezirk begrifflich wie faktisch durchgesetzt hatte, wurde aus der Amtskompetenz der Amtssprengel („Amt“=officium). Um 1290 wurden die Einnahmen aus dem landesherrlichen domanium (d.h. aus seinen in vorterritorialer Zeit begründeten grundherrlichen, vogteilichen und gräflichen Rechten) der Zuständigkeit des Amtmanns entzogen und einem besonderen Beamten, der den Titel Rentmeister führte, übertragen. In einem zweiten Schritt dehnten sich dessen Kompetenzen dann auf die Einnahmen aus dem landesherrlichen dominium – die Steuern und Gerichtsgefälle-, also mithin auf die gesamte Wirtschaftsverwaltung aus. Als Nächstes wurde die niedere Gerichtsbarkeit aus dem Aufgabengebiet des Amtmanns ausgegliedert und einem eigenen beamteten Richter übertragen, der unter diesem Namen oder als Vogt oder Schultheiß fungierte. Der Schlüter, der landesherrliche Rentmeister über das Dominalgut des Herzogs, war der eigentliche Vertreter des Amtmannes bzw. des Drosten im Amtsbezirk. Zu seinen Aufgaben gehörte neben der Verwahrung der Finanzkasse auch die Burghut. 

Amtmann, Rentmeister und Richter (Schultheiß) bildeten folglich den „Verwaltungsapparat“ des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Amtes, wobei die beiden bürgerlichen Subalternbeamten keineswegs dem adeligen Amtmann nachgeordnet waren, sondern unmittelbar der Zentrale rechenschaftspflichtig blieben. Lediglich über den oder die Richter nahm der Amtmann gelegentlich eine Aufsichtsfunktion wahr.

Die Aufgabe der niederrheinischen Grafen, ihre im Raum verteilten, in sich noch recht porösen Besitz- und Herrschaftskomplexe miteinander zu verbinden, zu verdichten und zu homogenisieren, wurde gelöst: [44]

  1. durch eine auf den Erwerb oder die Behauptung der Blutgerichtsbarkeit als iurisdictio suprema gestützte Distriktbildung;
  2. durch die Erschließung des unbesiedelten Landes und die Anlage von Städten, verbunden mit freieren Formen der Landvergabe und der Etablierung einer Schicht von Untersassen, die jenseits aller grundherrschaftlichen Bindungen mit der Landesherrschaft unmittelbar konfrontiert waren;
  3. durch die Instrumentalisierung des Lehnrechts, mit dessen Hilfe die Träger autogener Herrschafts- und Jurisdiktionsrechte im landesherrlichen Interessenbereich durch einfache oder ligische Vasallität an die terra angebungen oder sogar in die terra eingebunden, jedenfalls bei stabilem Machtübergewicht des terrae dominus als Konkurrenten ausgeschaltet wurden;
  4. durch die Überwindung des Lehnrechts im Aufbau eines auf dem Amtsprinzip beruhenden Verwaltungsapparates, der das eigentliche Instrument  einer auf Kontinuität, Effektivität, Verantwortlichkeit und Kontrollierbarkeit angelegten modernen Form der Herrschaftsausübung geworden war.

Das Ergebnis dieses Prozesses um die Mitte des 14. Jahrhunderts war:

  1. Die Auffüllung des um 1200 spürbaren Machtvakuums durch die Errichtung wirksamer oberster Gewalten in Gebieten, die groß genug für die Bewältigung der anstehenden sozialen Aufgaben, aber zugleich so begrenzt waren, dass sie mit den damaligen Herrschaftstechniken erfasst, geformt und kontrolliert werden konnten.
  2. Die Schaffung organisierter und sicherer Lebens- und Wirtschaftsräume für die angewachsene Bevölkerung.
  3. Die Ablösung der auf Personengruppen und –verbände ausgerichteten herrschaftlichen und genossenschaftlichen Organisationsstrukturen durch politische und soziale Ordnungsformen, die sich an der Fläche als dem gestaltenden Prinzip orientierten: das galt nicht nur für die großflächige terra selbst, sondern gleichermaßen für die post-grundherrschaftlichen sozialen Substrukturen wie Kirchspiels- und Nachbarschaftsgemeinden, Honschaften u.ä. Die Menschen traten zueinander in neue Rechtsbeziehungen.
 

Die geldrischen Städte

Zutphener Recht. Graf Otto I. bewilligte dem Ort ein aus 12 Personen bestehendes Schöffentum (das fortan als administrative und richterliche Behörde gemeinschaftlich mit dem Schultheißen des Grafen das städtische Regiment führte), Befreiung von Zweikämpfen und unrechtmäßigen Zöllen, die ausschließliche Einnahme aller Strafgefälle, sowie einen freien Wochenmarkt nebst zollfreier Zufuhr von Waren. Hingegen musste sie sich mit Mauern und Gräben umgeben, dieselben unterhalten und sich gegen etwaige feindliche Angriffe selbst verteidigen, auch bei einem allgemeinen Kriegszug dem Grafen auf eigene Kosten dienen. Die Rechte Zutphens dienten in der Folge als Vorbild bei Erhebung der übrigen Orten der Grafschaft Geldern zu Stadtgemeinden. [45]  

1278 trat in Nimwegen eine neue Behörde, die der Räte (consules) hinzu. Von nun an verblieb den 10-11 Schöffen unter dem Vorsitz des gräflichen Schultheißen oder Richters lediglich die Rechtspflege, während die bürgerliche Verwaltung von den 7-8 Räten ausgeübt wurde, an deren Spitze 1317 in Nimwegen zwei Bürgermeister (magistri civium) standen, die jährlich abgewechselt wurden. In wichtigen Fällen, besonders bei Aufnahme von Schulden zulasten der Stadt und bei Einführung neuer Steuern, pflegten dieselben sich noch der Zustimmung einer größeren Zahl von Mitbürgern zu versichern, die eine besondere Vertretung bildeten und in der Regel „Gemeindeleute“ (in Geldern auch die „Vierundzwanziger“) hießen. [46]  

Der Neder-Rijn, der die Quartiere Arnheim und Zutphen vom Quartier Nimwegen und vom Oberquartier trennte, scheint einen markanten geographischen Trennungsstrich zwischen zwei Stadtrechtslandschaften gebildet zu haben. Nördlich dieser Linie hat es verschiedene Stadtrechtsverleihungen gegeben, südlich davon nicht. [47] Erst nachdem König Heinrich VII. den Grafen Rainald ermächtigt hat, in Zukunft ohne besondere königliche Erlaubnis nach eigenem Ermessen Stadtrechte vergeben zu dürfen, [48] ist ein Programm einer aktiven Städtepolitik des Grafen für das Oberquartier fassbar. In Zutphen sollten drei, in Arnheim vier, in Nimwegen zwei und im Oberquartier fünf Orte neue Stadtrechte erhalten. Allein bei Goch hatte sich hier bis um 1310 eine tatsächliche Stadt  mit einer funktionierenden Verwaltung und einem florierenden Markt entwickelt. [49]

Die geldrischen Stadtrechts-Privilegien Rainalds bestanden aus vier Artikeln:

  1. entweder die (gelegentlich modifizierte) Bestätigung älterer Stadtrechts-Privilegien (Arnheim, Harderwijk, Doesburg) oder Übertragung der libertas (und privilegia) anderer Städte (Zutphen, Roermond, Geldern, Doesburg),
  2. der Verleihung eines Wochen-Marktes,
  3. der Verleihung von ein oder zwei Jahrmärkten (meist mit Termin) und
  4. der caput (Hauptfahrt)-Zuweisung (generell Zutphen).

Rainalds Stadtbegeriff beinhaltet somit Stadtrecht, Marktverkehr und Rechtssicherheit (Konsultation und Appellation). [50]

Die stadtrechtliche Privilegierung der praeurbanen oppida ist in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts lediglich die abschließende landesherrliche Sanktionierung einer Entwicklung gewesen, die sich – von lokalen Kräften getragen – über Jahrzehnte hinweg erstreckt hat. Diese Stadtrechtsverleihungen sind (im Gegensatz zu den folgenden Neugründungen) Anerkennung und juristische Fixierung seit langem bestehender sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse. Dementsprechend werden (u.a.) in diesen sogenannten Prinzipalprivilegien auch keine Märkte verliehen bzw. statuiert, sondern bestehender und offensichtlich florierender Marktverkehr wird reglementiert. [51]

Nach Blockmans lebten im Herzogtum Geldern rund 98.000 Menschen, davon 55.000 (56%) auf dem Lande (ohne Klerus und Adel). [52] Nach anderen Berechnungen von van Schaik waren es um 1500 zwischen 130.000 und 140.000 Einwohner, davon ca. 86.000 Landbewohner (65%). [53] Dicht bevölkert war das Gebiet der großen Flüsse Rhein, Waal und Maas, z.B. die Betuwe mit 34-36 Einwohnern/qkm (um 1470), das Tieler- und Bommelerwaard oder der Rand der Veluwe, die insgesamt jedoch mit 11 Einwohnern/qkm um 1526 dünn besiedelt war. [54]

„Große“ Städte sind – mit über 40 ha Stadtfläche und 9-14 Stadttoren – nur Nimwegen (über 10.000 Einwohner), Roermond und Zutphen (ca. 4.000 Einwohner) gewesen. Es folgen als größere Mittelstädte Emmerich (38 ha, 8 Tore, ca. 3.500 Einwohner) und Arnheim (37 ha, 7 Tore, ca. 3.000 Einwohner). Zur Gruppe der sieben kleineren Mittelstädte mit 22-25 ha sowie durchweg fünf Toren gehören Venlo, Zaltbommel, Doesburg, Harderwijk, Tiel, Geldern und Goch. Es folgt die größte Gruppe der 11 größeren Kleinstädte mit 10-15 ha und 2-4 Toren mit Erkelenz, Wageningen, Groenlo, Nieuwstadt, Susteren, Echt, Grave, Doetinchem, Lochem, Hattem und Elburg. An letzter Stelle erscheinen die acht kleineren Kleinstädte mit 5-7 ha und zumeist (6 von 8) keinen Toranlagen: Straelen, Wachtendonk, Montfort, Line, Kessel, Gendt, Maasbommel und Krickenbeck. [55]

Roermond war mit gut 50 ha ummauerter Fläche und etwa 6.700 Einwohnern am Ende des 14. Jahrhunderts die mit Abstand größte Stadt im Oberquartier und nach Nimwegen die zweitgrößte im Herzogtum überhaupt. [56] Seit mindestens 1343 war Roermond die Hauptstadt des Oberquartiers, [57] d.h. der Versammlungsort der Stände des Oberquartiers. Es folgten Venlo und Geldern mit etwa 21 ha Größe und einer Bevölkerung von rund 2.400 Einwohnern in Venlo und 1.350 in Geldern. [58] Erkelenz und Goch waren mit einer Fläche von rund 17 bzw. 19 ha nur geringfügig kleiner, ihre Bevölkerung lag wahrscheinlich unterhalb der Tausendermarke. [59] Ausgesprochene Kleinstädte waren Wachtendonk, Straelen und Nieuwstadt mit nur 6–7 ha ummauerter Fläche und einer Einwohnerzahl um 500. [60] Von den 140.000 Einwohnern des Herzogtums Geldern und der Grafschaft Zutphen lebten 35% in den Städten (Stand um 1500).

 

Märkte und Binnenhandel

Mit der Erteilung einer freien Verfassung verliehen die Grafen von Geldern den neuen Städten das Recht zur Abhaltung einer oder mehrerer Wochen- und Jahrmärkte. Durch dieses wichtige Privileg bildete sich neben dem Verkehr unter den Stadtbewohnern ein bedeutender Handel mit den Landleuten der Umgegend, welcher in Verbindung mit den bei diesen Gelegenheiten stattfindenden Volksfesten den Grundstein zum Aufblühen solcher bevorzugter Orte legte. Diese an bestimmten Tagen stattfindenden Märkte hießen Frei-Märkte, weil alle auf denselben erscheinenden Ausländer, mit Ausnahme schwerer Verbrecher und dem Herzoge straffällige Personen, während deren Dauer für ihre Personen und Güter gegen Schuldansprüche gesichert waren. Als Zeichen dieser Freiheit errichtete man bei Beginn des Marktes an den Toren der Stadt oder auf der Grenze ihres Gebietes ein Kreuz. Die Verletzung des Friedens wurde mit dem Verluste der rechten Hand bestraft. Diese Strafe wurde wenigstens in den letzten Jahrhunderten nicht vollzogen, sondern der Schuldige suchte sich gegen Zahlung einer Geldsumme mit der Stadt abzufinden. [61]

Die Jahrmärkte oder Messen fanden in der Regel an hohen Feiertagen statt und dauerten gewöhnlich mehrere Tage. Das Feilbieten der Waren geschah von alters her bei der Pfarrkirche, daher die landesübliche Bezeichnung Kirmes (Kirchmesse) für diese Märkte. Zum Verkauf von Tuch bestanden in fast allen geldernschen Städten besondere Tuchhallen oder Gewandhäuser, welche auf herrschaftlichem Grunde und Boden errichtet und daher zur Zahlung eines jährlichen Grundzinses an den Landesherrn verpflichtet waren. Im Oberquartier begegnen uns solche Tuchhallen 1326 zu Erkelenz, 1347 zu Roermond, 1349 zu Geldern, 1370 zu Goch und 1384 zu Venlo. Auch der Fleischverkauf in den Städten erfolgte zu dieser Zeit in besonderen Fleischhallen, deren einzelne Abschläge (Bänke) vermietet wurde. [62]

 

Lombarden und Juden

In den meisten geldernschen Städten bestanden besondere Gesellschaften lombardischer Kaufleute, welche seitens des Landesherrn gegen Entrichtung einer jährlichen Geldsumme besonderer Privilegien sich zu erfreuen hatten. [63] Sie besorgten den Austausch fremder Münzen gegen inländisches Geld und umgekehrt und setzten Gelder aus gegen Zinsen (bis zu 54%) unter Annahme von Pfändern. Lombarde war eher eine Berufs- als eine genaue Herkunftsangabe für die italienischen Kaufleute, die ausschließlich oder wenigstens teilweise Geldhandel betrieben. [64] Im Kreditwesen (Zins- und Pfandleihe) waren insbesondere auch Juden tätig, da sich Christen aufgrund kirchlicher Verbote im Allgemeinen nicht engagierten. Die Obergrenze der Zinssätze wurden meist von den Behörden festgelegt, so erlaubte im Jahre 1255 der Rheinische Bund 43 1/3 % für wöchentliche und 33 1/3 % für Jahresdarlehen. Antikapitalismus und Antisemitismus verbanden sich, grausame Judenverfolgungen waren die Folge.   

In der Stadt Geldern ließen sich im Jahre 1332 die Lombarden Berthaldus und Pulsavino mit ihren Familien nieder; sie erwarben hierzu vom Grafen Rainald II. einen 10-jährigen Schutz- und Privilegienbrief, wogegen sie sich verpflichten mussten, dem Landesherrn jährlichen 80 Pfund schwarzer kleiner Turnosen zu entrichten. Dieses Schutzgeld befreite die Lombarden zugleich von öffentlichen bürgerlichen Leistungen wie Wach- und Wehrdiensten sowie von direkten Steuern. [65]

1332 ließen sich Lombarden zu Zaltbommel nieder und bald nachher (1338) treten sie auch zu Nimwegen, Harderwijk, Doesborg, Tiel, Massbommel, Emmerich, Goch, Venlo und Roermond auf. [66] 1379 findet man sie auch in Arnheim und 1429 in Erkelenz. [67]

 

Der Außenhandel

Während der innere Handel im Herzogtum Geldern niemals eine große Bedeutung erreichte, stieg der Verkehr vieler geldernschen Städte mit dem Ausland bereits im 13. und 14. Jh. zu einer hohen Blüte empor. Der Handel auf dem Rhein, [68] hauptsächlich im Besitz von Nimwegen, Arnheim und Zutphen, erfreute sich schon früher wichtiger Privilegien. [69] Die Zollrechte am Niederrhein lagen hauptsächlich, wenn auch nicht durchgängig, in der Hand von drei Territorialherren, den Herzögen von Kleve (Duisburg, Ruhrort, Orsoy, Büderich, Rees, Schmithausen, Emmerich ab 1402, Griethausen, Lobith ab 1473, Huissen) und Geldern (Emmerich bis 1402, Lobith bis 1473, Arnheim, Nimwegen, Tiel, Heerwarden) und dem Erzbischof von Köln (Bonn, Zons, Worringen, Neuss, Uerdingen, Rheinberg). [70]

Im Jahre 1206 erwarb die Stadt Zutphen vom König Philipp Zollfreiheit an der Kaiserpfalz Kaiserswerth. [71] 1242 verlieh Graf Dietrich von Kleve den Einwohnern Gelderlands das gleiche Privileg zu Orsoy. [72] Die Stadt Köln erteilte den Geldernschen im Jahre 1281 die Zusicherung besonderen Schutzes und freien Geleites für ihre Personen, Schiffe und Waren innerhalb ihres Gebietes. [73] Auch der Erzbischof von Köln bewilligte den Bürgern von Arnheim im Jahre 1343 besondere Vorrechte im ganzen Erzstift. [74] Die Stadt Nimwegen, welche zufolge eines Privilegs des Königs Heinrich VII. vom Jahre 1230 im ganzen Heiligen Römischen Reich Zollfreiheit besaß, erwarb 1317 für ihre rheinischen Handelsbeziehungen wichtige Vorrechte zu Uerdingen, Andernach, Koblenz und Mainz. [75]

Im Jahre 1306 passierten die geldernsche Zollstätte Lobith über 2.000 Schiffe, darunter 80 von Zutphen und 117 von Arnheim, meistens beladen mit Wein, Doesborger Bier, Roggen, Gerste, Hafer, Spelz, Äpfeln, Birnen, Käse, Salz, Hering und anderen Fischen, Mühlensteinen, Zement, Brettern, Balken und irdenden Waren; ferner Schiffe von Zaltbommel mit Wein, von Harderwijk mit Wein, von Doesborg an der IJssel mit Bier in ungeheueren Mengen und Wein. Auch ausländische Schiffe, besonders aus Neuss, Büderich, Wesel, Kaiserswerth, Düsseldorf, Köln und anderen Rheinstädten, befrachtet mit Getreide, Früchten, Butter, Käse, Holz, Wein, Salz, Eisen, Steinen und irdenden Waren, dürfen desselben beigezählt werden. 75 Schiffe, welche aus besonderer Begünstigung des Grafen gänzliche Zollfreiheit genossen, waren beladen mit Wein und Getreide für den Grafen von Kleve, mit Wein für den Erzbischof von Köln, mit Früchten für die Gräfin von Berg, mit Steinen für den Bau der Kapitelkirche zu Zutphen usw. Von den geldernschen Städten wurden hauptsächlich die Produkte des Landes und die aus Frankreich und Brabant bezogenen Waren ausgeführt und dagegen oberländische Erzeugnisse zurückgebracht. Aus der Zollliste geht ferner hervor, dass sowohl deutsche Weine ein-, als französische ausgeführt wurden. [76]

Der Handel auf der unteren Maas scheint in erster Linie in den Händen der Bürger von Roermond und Venlo gewesen zu sein. In Roermond bestand schon früher ein bedeutender Weinhandel mit dem Herzogtum Limburg, welcher im Jahre 1253 der Gegenstand eines besonderen Vertrages zwischen dem Grafen Otto II. von Geldern und dem limburgischen Herzog Walram war. Danach sollten die Bürger von Roermond nur während der Zeit von 14 Tagen nach Ostern bis zum Remigiustag (1. Oktober), Wein über die Maas ausführen dürfen, wobei jedoch Most ausgenommen wurde. [77]

Die Stadt Venlo verdankte ihren ausgedehnten Handelsverkehr hauptsächlich dem Stapelrecht, welches ihr Herzog Rainald II. bei der Erteilung von Stadtrechten (1343) verlieh. Zufolge dieses wichtigen Privilegs durften auf dem rechten Maasufer zwischen Venlo und Mook keine Schiffe ein-, aus- oder umgeladen werden. Dies musste vielmehr zu Venlo geschehen, sodass nur hier das Feilbieten aller zu Wasser eingeführten Waren stattfinden konnte. Hierdurch entstand das profitable Vorkaufsrecht der Venloer Bürger. Graf Wilhelm von Holland soll schon im Jahre 1355 den Markt und den Stapel dieser Stadt auf dem Maasstrom ebenso bedeutsam eingestuft haben, als den der Stadt Köln auf dem Rhein. Obwohl das Stapelrecht der Stadt Venlo im Laufe der Zeit häufig bestritten wurde, namentlich 1520 durch Geldern, 1523 durch Roermond, sowie später durch den Herren von Arcen, die Städte Maastricht und Nimwegen, konnte Venlo dieses erfolgreich behaupten. [78]

Der Handel von Venlo mit den benachbarten Ämtern Geldern, Straelen, Wachtendonk und Krickenbeck war stets sehr bedeutsam, da diese ihre sämtlichen Verbrauchsgüter, namentlich Kohle, Kalk, Mergel, Steine, Fische, Käse usw. ausschließlich von dort bezogen. Nur die Stadt und das Amt Geldern erhielten diese Produkte auch von Arcen, wo sie trotz des Protestes der Stadt Venlo das Stapelrecht besaßen. Nur wenige Waren bezog Venlo vom Rhein, z. B. Steine vom Drachenfels. [79]

Der Handel mit Brabant und Flandern, wo Antwerpen und Brügge vielbesuchte Marktplätze waren, wurde besonders durch Nimwegen und die an der Waal gelegenen Städte betrieben. Bereits im Jahre 1301 erteilte der Herzog von Brabant den Bürgern von Nimwegen Zollfreiheit zu Antwerpen. [80] Man bezog von dort französische Weine, Zucker, Öl, Seide und sonstige Erzeugnisse südlicher Gegenden. [81]

Der Handel über die Zuidersee mit Holland, Friesland, England, der Ostsee und dem übrigen Norden befand sich in den Händen der Kaufleute von Harderwijk, gefolgt von denen der Städte Elborg, Zutphen und Arnheim. Die beiden ersten Städte erwarben bereits 1291 Sicherheit und Freigeleite für ihren Verkehr in Holland, welche ihnen 9 Jahre später durch den Grafen Johann bestätigt wurden. Ähnliche Privilegien erhielt Harderwijk in den Jahren 1314 und 1315 für seine Handelsbeziehungen mit Friesland. Auch Arnheim stand mit diesem Land bereits 1331 in Geschäftsbedingung. Auf die Märkte dieser beiden Städte wurden friesische Pferde zum Kauf angeboten. Gegen Ende des 13. Jh. trieb Harderwijck auch Handel mit den Städten Hamburg, Lübeck und Thorn an der Weichsel. 1340 sind Verbindungen Harderwijks mit England bezeugt, [82] von wo dieser Ort wahrscheinlich rohe Wolle für seine Tuchfabriken bezog. [83]

Der ausgedehnte Handel der Städte Harderwijck und Zutphen erstreckte sich sogar bis Dänemark. König Erich wies den Kaufleuten beider Orte bereits im Jahre 1316 zur Beförderung desselben in der Seestadt Skanor auf Schonen ein Platz an, wo diese zur Zeit der dortigen sehr besuchten Jahrmärkte ihre Wohnungen, Warenlager und Packhäuser aufschlagen und eine Art Faktorei errichten konnten. Durch andere ansehnliche Privilegien begünstigt erreichte der Verkehr der Geldernschen von hier aus eine große Ausdehnung; denn auch mit den Städten Niborg, Tomberg, Slansloo und Roskilde befanden sie sich schon bald nachher in lebhafter Geschäftsverbindung. Dorthin wurden Wein, Salz, Wachs, Tuch, Leinen und andere Manufakturwaren exportiert, von dort Holz und Heringe eingeführt. [84]

Im 15.             Jahrhundert schob sich Antwerpen-Bergen mit seinen Messen an die Stelle von Brügge. Deventer entwickelte seinen Jahrmarkt zu einer Messe von beträchtlicher regionaler Geltung. In der Tuchproduktion setzte sich Holland kräftig durch, nachdem im 14. Jahrhundert noch Brabant dominiert hatte. Die geldrischen Städte mussten den größten Teil ihrer Interessen am Überseehandel den holländischen und zeeländischen Kaufleuten und Schiffern abtreten, die in der günstigeren Verkehrslage England und Flandern gegenüber waren und über mehr und größere Schiffe verfügten, die auch die Nordsee befahren konnten. Die geldrischen Schiffe [85] waren mehr auf den Flussverkehr eingerichtet. Zwischentransport und Zwischenhandel wurden die Haupttätigkeit der geldrischen Kaufleute und Schiffer, während die Holländer und Seeländer immer mehr den Seeverkehr übernahmen. Die Holländer machten jetzt der Hanse scharfe Konkurrenz. [86]

Eine ausschlaggebende Rolle für den Fern- und Großhandel spielten die Messen. Die Kaufleute der Städte von Köln bis Dordrecht suchten regelmäßig die Frankfurter Messen auf (Deutz, Neuss, Kaiserswerth, Duisburg, Geldern, Wesel, Xanten, Kalkar, Emmerich, Arnheim, Utrecht, Nimwegen, Dordrecht); sie fanden sich auf den Jahrmärkten von Deventer ein (Köln, Neuss, Duisburg, Dinslaken, Büderich, Sonsbeck, Wesel, Uedem, Xanten, Goch, Kalkar, Kleve, Nimwegen, Dordrecht, Rees, Emmerich, Grieth, Arnheim, Rotterdam, Schiedam). Der dicht besetzte Einzugsbereich des Deventer Marktes reichte von der Schelde bis zur Weser, darüber hinaus dünner gestreut bis zur Elbe. Am wichtigsten waren die Brabanter Messen; [87] sie wurden von Köln, Neuss, Düsseldorf, Kaiserswerth, Linn, Duisburg, Geldern, Xanten, Kalkar, Kleve, Nimwegen, Tiel, Dordrecht, Wesel, Rees, Emmerich, Wijk, Schonhoven, Rotterdam, Schiedam, Vlaardingen und Brile besucht. [88]

Wesel, die größte und prosperierendste Stadt im Herzogtum Kleve, war im 15. Jahrhundert der bedeutendste Handelsplatz am Niederrhein und zählte im Jahre 1464 ca. 6.000 Einwohner. [89] Der Handel ging von hier nach allen Himmelsrichtungen; in Wesel trafen sich kölnische und geldrische, oberrheinische und niederrheinische Einflüsse. Wesel war die letzte Stadt, in der außerhalb des Kölner Stapels niederländische Güter noch verkauft und umgeschlagen wurden. [90] Wegen der günstigen geographischen Lage der Stadt fanden alle Kölner Drittelstage der Hanse bis 1470 in Wesel statt; und auch im 16. Jh. blieb Wesel nach Köln der wichtigste Tagungsort des westlichen Drittels. Aufgrund der Ausrichtung ihrer Handelsinteressen schlossen sich die Weseler Kaufleute nach 1500 zunehmend enger an die niederländische Städtegruppe an. [91]

 

Zölle

Über die Flusszölle verfügte der Herzog von Geldern nicht als Grundherr, sondern besaß das Verfügungsrecht als Territorialherr. Auf dem Rhein besaßen die Grafen von Geldern seit dem Jahre 1222 als ein Reichslehen den einträglichen großen Zoll zu Lobith, dessen Einnahmen im Jahre 1340 nicht weniger als 47.472 Pfund ausmachten. Auf der Waal erhoben dieselben einen Zoll zu Tiel und Herwaarden, auf der Maas zu Roermond und Venlo. Auch die Herren von Asselt, Kessel und Grubbenvort hatten auf diesem Strom innerhalb ihrer Gebiete besondere Zollstätten. Außerdem erhob der Herzog an den Orten, wo Jahr- und Wochenmärkte stattfanden, einen Marktzoll von allen zum Verkauf dorthin geführten Waren. Ferner hatte derselbe an vielen Orten so genannte Landzölle, wo von allen passierenden Wagen und Tieren ein Wegegeld erhoben wurde; im Oberquartier befanden sich derartige Zollstätten unter anderen 1348 zu Venlo, 1394 zu Geldern, 1435 zu Kapellen, 1472 zu Roermond, 1473 zu Kessel und Broekhuijsen, 1524 zu Kevelaer. Durch den großen Einfluss, den die geldernschen Städte sich im Laufe der Zeit auf den Herzog zu verschaffen wussten, gelang es denselben, besondere Privilegien zu erwirken, wodurch ihnen diese Zölle ganz oder teilweise erlassen wurden. So brauchten die Bürger der Stadt Geldern im Herzogtum weder zu Wasser noch zu Lande Zoll zahlen mit Ausnahme zu Lobith, wo sie den halben Zoll entrichten mussten. [92]

Bei der großen Unsicherheit der Wege ließ der Kaufmann zur Sicherheit seiner Person und Waren durch ein vom Landesherrn gestelltes, bewaffnetes Gefolge sich begleiteten, wofür er ein Geleitgeld zu entrichten hatte. Eine weitere Beschützung wurde dem äußeren Handel seit dem 19. Jh. zuteil, indem die Landesherren beim Abschluss von Staatsverträgen mit benachbarten Fürsten darauf bedacht waren, dem gegenseitigen geschäftlichen Verkehr Schutz und freies Geleit zu sichern (Landfrieden). [93] Der Verkehr auf dem Landweg war nicht nur, ebenso wie der auf dem Rhein, durch Abgaben und Zölle belastet, sondern überdies durch den erbärmlichen Zustand der Straßen erschwert.

Der Herzog konnte nach eigenem Gutdünken seine Städte von den Flusszöllen befreien. Zollbefreiungen gehörten zu den wichtigsten Privilegien, die einen entscheidenden Einfluss auf den Reichtum der Bürger bzw. Kaufleute einer Stadt hatten. Da die Flusszölle zu den wichtigsten Einnahmequellen des Landesherrn gehörten, stellte die Befreiung von den Zolltarifen ein wirkliches Privileg dar. Für den Kaufmann war es lohnend, Bürger in einer von Zöllen befreiten Stadt zu werden. Der Grad der Befreiung von Zöllen war sehr unterschiedlich. Im günstigsten Fall war eine Stadt von einem Zoll völlig befreit, oftmals zahlte sie aber nur den halben Zoll, den alten Zoll oder nur den halben alten Zoll. [94]

 

Hanse

Die Hanse [95] war ein Städtebund, bei der das wirtschaftliche Element (Handel) im Vordergrund stand und die politische und kriegerische Betätigung in erster Linie nur zur Absicherung dieser wirtschaftlichen Vorgänge geschah. Die Hanse ist keineswegs eine einheitliche wirtschaftliche (oder gar politische) Machtzusammenballung gewesen, sondern es wurden z. T. sehr gegensätzliche Interessen vertreten, zwischen den einzelnen Kaufleuten, den einzelnen Städten und zwischen Städtegruppen. Untersucht man die im Hansegebiet und die außerhalb des Hansegebietes bestehenden Preise, dann lässt sich sehr leicht feststellen, dass ein Monopol nicht nachweisbar ist. Preisabsprachen lassen sich in einer die Preise entscheidend auf Dauer beeinflussenden Weise nicht erkennen. Im Grunde war es den meisten Kaufleuten bewusst, dass sie aufeinander angewiesen waren, auch wenn sie am Markt als Konkurrenten auftraten. 

Es ist in der Forschung umstritten, ob der Raum der östlichen Niederlande (Gelderland, Overijssel) Bestandteil eines umfassenden niederländischen Marktgebietes war, oder ob er eine von den übrigen Niederlanden verschiedene, eigenständige Wirtschaftslandschaft darstellte. Tatsächlich bestanden sehr enge wirtschaftliche Verflechtungen zwischen dem Gebiet von dem Herzogtum Geldern und Overijssel einerseits und dem niederrheinisch-westfälischen Raum andererseits. Entsprechend ihrer Lage an wichtigen Handelsstraßen, die Norddeutschland, Westfalen und das östliche Sachsen mit dem niederländischen Westen verbunden wurden die overijsselschen Städte zu wichtigen Umschlagplätzen im Ost-West-Verkehr. Deventer, die „Stadt der Jahrmärkte“ (Sneller), [96] und Zwolle besaßen im 14. Jahrhundert jeweils fünf, Kampen vier und Zutphen zwei Jahrmärkte, die so terminiert waren, dass in diesen Städten von Mitfasten bis Martini (11. November) fast ununterbrochen Jahrmärkte abgehalten wurden. Hinzu kam die Lage an der schiffbaren IJssel, die eine unmitelbare Verbindung vom Rhein zur Nordsee herstellte, die um so bedeutender wurde, je weniger der Weg über Utrecht befahrbar wurde. Das an der IJsselmündung gelegene, seit dem 13. Jahrhundert aufblühende Kampen wurde gewissermaßen zum Nordseehafen Kölns. [97]

Die Städte entlang der IJssel waren somit wichtige Märkte im hansischen Binnenhandel zwischen Ost und West; zugleich verknüpften sie die hansischen Land- und Seewege und wurden zu wichtigen Umschlagplätzen für flandrisches und holländisches Tuch, Agrarprodukte aus Nordholland, für Nordseehering und Hamburger Bier, für Holz, Torf, Roggen, westfälisches Leinen und vieles mehr. Für das 13. Jahrhundert ist die Beteiligung der Kaufleute und Schiffer aus den IJssel- und zuiderzeeischen Städten am Bergen- und Schonenhandel bezeugt. Kampen, Harderwijk und Elburg beteiligten sich 1367 an der Allianz gegen den Dänenkönig Waldemar Atterdag (1340–1375). Kampen, Zutphen, Harderwijk und Elburg besaßen im 14. Jahrhundert eigene Viten in Schonen. [98]

Die engen Beziehungen der östlichen Niederlande zur Hanse fanden ihren Niederschlag darin, dass sich die Städte dieses Raumes – anders als die übrigen niederländischen Städte – seit Beginn des 15. Jahrhunderts auch formal um die Mitgliedschaft in der Hanse bemühten, soweit sie nicht, wie das bei Deventer, Zutphen, Elburg und Harderwijk der Fall gewesen zu sein scheint, selbstverständlich als Mitglieder galten. Nimwegen trat der Hanse 1402 bei, Zwolle 1407, Staveren nach 1418, Groningen 1422, Kampen und Arnheim 1441. Bemerkenswert ist dabei, dass mindestens Groningen, Zwolle und Kampen möglicherweise schon früher Mitglieder der Hanse waren, die Hanseeigenschaft zwischenzeitlich aber verloren hatten und nun wieder aufgenommen wurden. [99]

Die geldrischen Hansestädte bildeten mit den übrigen niederländischen, westfälischen und kölnischen Städten anfangs das niederrheinisch-westfälische Quartier mit Köln als Vorort. Das aus 23 Städten bestehende Kölner Drittel, welches erst 1494 wieder auflebte, zerfiel in vier Gruppen: die westfälischen Städte, geführt von Münster und Paderborn, die klevischen unter Wesel, die zuiderseeischen unter Deventer und die geldrischen unter Nimwegen. [100] Zu dem Hansebund gehörten von den geldernschen Städten: Nimwegen, Zutphen, Arnheim, Harderwijck, Elburg, Tiel, Zaltbommel, Doesborg, Emmerich, Roermond, Venlo und Geldern. [101]

Gegenseitiger Schutz und Beistand bei einem feindlichen Angriff war eine der wichtigsten Bestimmungen dieses Bundes. Der Bundesbrief vom Jahre 1450 bestimmte das Kontingent an Reitern, welches die geldernschen Städte bei einem etwaigen Heereszuge der Hanse stellen mussten: Nimwegen, Zaltbommel und Tiel zusammen 8, Zutphen 4, Arnheim 4, Harderwijk 2, Elburg 1, Doesborg 1, Emmerich 2 und Roermond 5. Die kleineren Städte Gelderlands gehörten ebenfalls dem Bunde an und steuerten auch bei zu den in der Matrikel ausgeschriebenen Geldbeiträgen, ohne jedoch sämtlich zu den Tagfahrten verschrieben zu werden; sie wurden hier vielmehr durch die größeren Städte oder die Hauptstadt ihres Quartiers vertreten. [102]

Auf dem Hansetag zu Lübeck im Oktober 1554 erhob sich wegen der Berechtigung einzelner kleinerer Städte (Geldern, Erkelenz, Doesborg, Doetinchem, Tiel und Zaltbommel) zum Hansebund ein heftiger Streit, der den Ausschluss ihrer anwesenden Vertreter von der Sitzung zur Folge hatte. Gegen dieses rechtlose Verfahren protestierten namentlich die Deputierten von Nimwegen und verließen sogar die Versammlung, als ihre Bitten um eine nochmalige Erwägung dieser Angelegenheit kein Gehör fanden. Die ausgeschlossenen Städte fuhren fort, auf den späteren Tagfahrten ihre Berechtigung zum Bunde durch Vorlage von Beweisstücken zu begründen und zur Geltung zu bringen. So sandte die Stadt Geldern ihren Bürgermeister Peter Börsken mit einem Empfehlungsschreiben der auf dem dortigen Schlosse wohnenden Herzogin Elisabeth zur Tagfahrt in Lübeck (Oktober 1556), wo jener sich auf das hohe Alter der Stadt, auf ihre Teilnahme an früheren Hansetagen, sowie auf den langjährigen Genuss der Hanseprivilegien berief. Er legte Zeugnisse vor, wonach verschiedene Bürger der Stadt Geldern noch in den Jahren 1523-1538 bei Ausübung ihrer Handelsgeschäfte in London den dortigen hansischen Stalhof besucht, die Freiheiten und Rechte der Hanse unangefochten in Anspruch genommen hätten, während andere ihrer Bürger daselbst zur Meistertafel gewählt und zum Kaufmannsrecht zugelassen worden seien. Bei der Wahl des Alderman hätte man häufig davon gehört, dass auch das Land Geldern jenseits der Maas darunter aufgeführt worden sei. Zufolge einer Entscheidung des Hansetages zu Lübeck im Jahre 1557 wurden die erwähnten Orte wieder in ihre früheren Rechte eingesetzt.

Fest steht, dass mit der Hansezugehörigkeit der geldrischen und overijsselschen Städte das Verhältnis der östlichen Niederlande zur Hanse ein qualitativ anderes war als das der übrigen niederländischen Regionen. Ohne Zweifel wird man diese engere Bindung an die Hanse in der „kulturräumliche(n) Verbundenheit des niederländischen Ostens mit Nordwestdeutschland“ (Petri) [103] begründet sehen dürfen. Der politische Gegensatz zu dem 1433 burgundisch gewordenen Holland, das sich in der Folge auch mehr und mehr nach Westen orientierte, hat jene Bindungen weiter gestärkt. Die Städte selbst bildeten im 15. Jahrhundert mit den niederrheinischen und den westfälischen Hansestädten das „Kölnische Drittel“ und nahmen unter der Führung Deventers insbesondere seit den 1440er-Jahren einen nachhaltigen Einfluß auf die Gestaltung der hansischen Politik im Westen. [104]

 

Die sozialen Schichten in der Stadt Geldern

Zur Oberschicht gehören die Fernhändler und die Adelsgeschlechter. Die nächste Schicht wurde von den Krämern und anderen Einzelhändlern der Stadt gebildet. Teilweise gehörten auch die Ackerbürger mit einem größeren Landbesitz hierzu. Das Handwerk bildete eine breite Mittelschicht, zu der auch ein Teil der Fuhrleute, Schiffer und kleineren Händler, ferner der Ackerbürger zu rechnen war. Ungelernte und gegen Lohn regelmäßig tätige Personen zählten zu den Tagelöhnern. Diese Gruppe wurde ferner von einem Teil der Handwerker ergänzt, insbesondere von den Gesellen mit einem eigenen Hausstand. Die letzte hier zu nennende Schicht umfasste insbesondere die große Gruppe der ledigen abhängigen Arbeitskräfte (Gesellen, Lehrlinge, Gehilfen, Gemeindekräfte), deren Lage teilweise aber günstiger war als die der Tagelöhner. Verheiratete Gesellen gab es vor allem dort, wo nicht in einer Werkstätte, d. h. in unmittelbarer Verbindung mit dem Haushalt des Meisters, gearbeitet wurde (Zimmerleute, Maurer usw.).

Bei der Verteilung des Bodens erhielt in Geldern jeder Ansiedler eine vererbliche Baustelle (area) angewiesen, für die er dem Grafen einen jährlichen Grundzins (census arearum), bestehend in Hühnern, zu entrichten hatte. Noch zu Ende des 14. Jahrhunderts bezogen die Herzöge von Geldern von der Stadt Geldern jährlich 459 Hühner. [105]

Herzog Wilhelm I. von Geldern (1371–1402) verlieh durch Urkunde vom 26. Juni 1401 allen seinen in Geldern wohnenden eigenen und hörigen Leuten, Männern, Frauen und Kindern, auf ewige Zeiten die Freiheit. Er dehnte diese Gnade sogar aus auf alle seine im In- und Auslande wohnenden Hörigen und ihre Nachkommen, welche in Geldern ihren dauernden Wohnsitz nehmen würden. Diese sollten fortan seine freien Dienstleute sein und alle bisherigen Rechte, Privilegien und Gewohnheiten der Stadt und ihrer Bürger genießen. Nur für den Fall eines etwaigen Auszugs aus der Stadt sollten sie in die frühere Hörigkeit und Eigenschaft wieder zurückfallen [106] . Die Veranlassung zur Erteilung dieses mit einer ansehnlichen Einbuße für die Einkünfte des Landesherrn verbundenen Rechtsaktes begründete der Herzog unter Hinweis auf die große Sterblichkeit (sterfte), welche die Stadt Geldern heimgesucht hatte [107]

Auf Anordnung des Herzogs wurde durch den Drosten, Sluiter (Rentmeister) und die Schöffen der Stadt ein namentliches Verzeichnis aller in Geldern wohnenden Hörigen angefertigt, wonach dieselben aus nicht weniger als 18 Familien und 55 einzelnen Personen bestanden [108] . Was die Herkunft der in Geldern freigegebenen Hörigen betrifft, so zeigen uns deren Familiennamen, dass sie zum großen Teil von gleichnamigen Höfen und Katstellen in der nahen Vogtei abstammten [109] .

Ein Höriger war eigentlich nur der dinglich Unfreie, d.h. der durch die an seinem Gut haftende Unfreiheit unfrei gewordene, der Halbfreie, der ein Zinsgut besaß, nach Hofrecht lebte, gemessene Dienste (Fronden) und bestimmte Abgaben leistete. Der Hörige war schollenplichtig, er konnte nicht ohne das Gut verkauft werden, das Gut nicht ohne ihn; in der Regel war das Zinsgut erblich, auch konnte der Hörige Vermögen erwerben. Ein Höriger konnte gleichzeitig Leibeigener eines anderen Grundherrn sein, auch konnte er freies Eigentum besitzen [110] . Nettesheim vermutet, dass die Hörigen in Geldern teils aus dem seit alters her auf der dortigen Burg wohnenden Dienerschaft, teils aus eingewanderten unfreien Personen bestanden. Da auf den Höfen des Landesherrn in dem benachbarten Gelderland (Vogtei) eine bedeutende Anzahl von Unfreien lebte, nimmt Nettesheim an, dass von dort her viele Dienstboten, Tagelöhner und Handwerker in die Stadt gezogen sind. Die große Anzahl der vor 1401 in Geldern wohnenden Hörigen berechtigt nach ihm zu der Vermutung, dass diese bei der Stadterhebung (ca. 1229) nicht – wie anderorts – freigegeben wurden, sondern in ihrem ursprünglichen Abhängigkeitsverhältnis verblieben sind. Sie waren nicht im Genusse des Bürgerrechts und gehörten nach wie vor dem Herzog, der nach Belieben über sie verfügen konnte; sein Schultheiß war bei Vergehen ihr Richter. Ohne Zustimmung des Schultheißen durften die Hörigen sich nicht verheiraten und mussten, wenn sie dessen Erlaubnis hierzu erhielten, eine Geldsumme als orlof dafür entrichten. Bei einer Ehe zwischen Freien und Hörigen folgten deren Kinder dem Stande der Mutter. Bei ihrem Tode verfiel ein Teil ihres nachgelassenen Mobiliars dem Herrn [111] .

Die Stadt Geldern ist nicht der einzige Ort im Herzogtum Geldern, wo der Graf auch nach der Verleihung der städtischen Freiheiten noch Hörige besaß. So waren z. B. auch in Zutphen noch längere Zeit, nachdem dieser Ort Stadtrechte erlangt hatte, hörige Leute in nicht unbedeutender Anzahl, über die der Graf ebenfalls die Gerichtsbarkeit besaß. Auch besagt die von Rainald I. an Staveren erteilte Verleihungsurkunde ausdrücklich, dass die Eingesessenen dieses Ortes Hörige des Grafen bleiben sollten [112] .

Vorteile verschiedenster Art, die Freiheit, die große Sicherheit und der Rechtsschutz, den sie ihren Einsassen (Bewohnern) gewährten, hatten die Einwanderung zahlreicher Bewohner des meistens noch der Hörigkeitspflicht unterworfenen platten Landes in die Stadt Geldern zur Folge [113] . Bereits im Jahre 1402 zog eine hörige Familie von Wachtendonk nach Geldern und noch in den Jahren 1414 und 1417 wanderten auf der Grundlage dieses Privilegs Hörige des Herzogs aus der Grafschaft Kleve in die Stadt Geldern ein und ließen sich dort dauerhaft nieder [114] . Der hauptsächliche Vorteil, den die Stadt Geldern durch diesen Privilegienbrief erlangte, bestand in einer ansehnlichen Vergrößerung ihrer Einwohnerschaft [115] .

Der größte Teil der städtischen Einwohner war nicht sehr vermögend, ein guter Teil auch besitzlos. Nah einer Gelderner Steuerliste von 1394 waren 13,4% fast besitzlos, demgegenüber nur 5% als vermögend einzustufen. In den Steuerlisten sind in der Regel die Ärmsten, d. h. die Besitzlosen gar nicht aufgeführt, da sie nichts zu versteuern hatten. Dies bedeutet andererseits, dass die nach den Steuerlisten als arm einzustufenden Bürger durchaus ein Haus in der Stadt besitzen konnten. [116]

Im südlichen Geldern waren im Vergleich zum Herzogtum Kleve Steinbauten eher selten anzutreffen. Dort wurden die meisten Häuser, z. T. bis ins 18. Jh. hinein, in Fachwerk errichtet. Viele Gebäude beständen ganz aus Holz. Auf den städtischen Grundstücken war nicht nur Raum für die Wohnhäuser der Bürger, sondern es befanden sich auf den Rückgrundstücken häufig Nebengebäude in Form von Scheunen, Ställen oder Schuppen. Mit wenigen Ausnahmen gab es innerhalb der Städte zahlreiche unbebaute Flächen, die von den Bürgern als Gärten oder in anderer Weise wirtschaftlich genutzt wurden. In den Gärten wuchs nicht nur Gemüse und Obst, offenbar baute man auch Getreide an. Viele Bürger besaßen eigenes Vieh (Kühe, Schweine, Hühner). [117]

Die Anlage von öffentlichen Brunnen scheint in Geldern im Laufe des 15. Jh. erfolgt zu sein. 1435 ließ die Stadt erstmals einen Brunnen anlegen. [118] Die öffentlichen Brunnen lagen an der Straße oder an Plätzen, und sie waren für eine bestimmte Anzahl an Haushalten zugänglich. Diese waren in Brunnengemeinschaften organisiert, den so genannten Nachbarschaften. Die Brunnennachbarschaften kamen für den Unterhalt der Brunnen auf, indem sie an einen Püttmeister eine festgelegte Abgabe zahlten. In diesen Nachbarschaften entstanden aber über die bloße Regelung der Wasserversorgung [119] hinaus im Laufe der Zeit Organisationsstrukturen, die sowohl allgemein nachbarschaftliche Interessen als auch private Angelegenheiten regelten. Die meisten offenen Brunnen wurden seit der Mitte des 17. Jh. allmählich durch Pumpen ersetzt. Am 22. März 1652 erließ die Stadt Geldern ein Reglement, welches die Rechte und Pflichten der Nachbarschaften genau bestimmte. [120]

 

Die Zünfte im Herzogtum Geldern

Die älteste Nachricht über Zünfte im Herzogtum Geldern ist die Erteilung besonderer Vorrechte an die Wollenwebergilde zu Emmerich vom Jahre 1299. Erst in der zweiten Hälfte des 14. Jh. treten in den übrigen Städte Zünfte zutage. In Zutphen erhielten 1377 die Schuhmacher, 1387 die Fleischer, 1393 die Krämer, 1395 die Schiffer, 1464 die Brauer, 1473 die Kürschner Zunftbriefe. Im Jahre 1538 wurden folgende 5 Gilden neuorganisiert: 1.) die Weber, 2.) die Goldschmiede, Sattler und Zinngießer, 3.) die Schneider und Tuchscherer, 4.) die Bäcker und 5.) die Krämer. Außer diesen findet man dort noch die so genannte viergekrönte Gilde, wozu die Zimmerleute, Maurer, Bleigießer und Dachdecker gehörten, sowie die Gilden der Schmiede und Fischer. [121]

In Arnheim bestanden seit dem Jahre 1487 sechs Zünfte:

-          Kaufleute, Schiffer, Weinwirte, Ochsentreiber, Krämer, Metzger und Kornhändler;

-          Bierbrauer, Gastwirte, Bierwirte, Barbiere, Bäcker, Müller und Fuhrleute;

-          Gold-, Silber-, Eisen- und Stahlschmiede, Harnischmacher, Sattler, Speermaker, Messer- und Waffenschmiede, Huf- und Kupferschläger;

-          Schuh- und Trippenmacher und Riemer;

-          Drapeniers, Schneider, Färber, Schröter, Pelzer, Wollen- und Leinweber, Walker und Tuchscherer;

-          Maler, Sticker, Glaser, Kistenmacher, Steinhauer, Maurer, Radmacher, Küfer, Zimmerleute, Dachdecker, Korbmacher, Holzsäger und Tagelöhner. [122]

In Venlo verlieh die Stadtbehörde im Laufe der Zeit Statuten an folgende Zünfte: 1429 an die Müller und Ölschläger, 1483 an die Schiffer, 1513 an die Brauer, 1517 an die Metzger, 1519 an die Schreiner und Zimmerleute, 1522 an die Leinweber, 1525 an die Kürschner, 1536 an die Krämer, 1550 an die Schneider und Weinschröter, 1558 an die Bäcker, 1561 an die Künstler, zu denen die Sekretäre, Goldschmiede, Glaser, Maler, Sticker, Bildhauer und Glockengießer zählten, 1561 an die Schmiede, Sattler, Töpfer, Zinngießer, Harnischmacher, Büchsenmacher, Kupferschläger, Maurer und Dachdecker, 1568 an die Schuhmacher, 1583 an die Salzmesser, 1595 an die Ackersleute, 1608 an die Karrenbinder, 1618 an die Lotsen und 1638 an die Sackträger. Zur Zunft der Pelzer sollten nach den erneuerten Statuten vom Jahre 1588 die Lohgerber und Hutmacher gehören. Die Krämergilde wurde im Jahre 1624 wegen ihrer zu großen Mitgliederzahl geteilt. Die Tuch-, Seiden-, Spezerei- und Eisenhändler, Apotheker und Pfefferkuchenbäcker bildeten fortan eine Gilde für sich unter dem Patronat der heiligen Katharina, während die Händler mit Fettwaren, Salz, Fisch und rohem Eisen unter dem Patronat des heiligen Nikolaus fortbestanden. Zur Künstlergilde gehörten später auch die Silberschmiede, Juweliere, Uhrmacher und Chirurgen. [123]

Roermond hatte fünf große Gilden, zu denen die anderen kleineren Gilden gehörten:

-          Gewandmacher oder Wollenweber mit den Tuchscherern, Maurern, Dachdeckern, Goldschmieden, Glasern, Malern, Wappenstickern und Bildhauern;

-          Schmiede mit den Kohlenträgern und Kleidermachern;

-          Brauer mit den Zimmerleuten, Küfern, Radmachern, Schreinern und Kürschnern;

-          Schuster mit den Bäckern, Webern und Korbmachern;

-          Schiffer mit den Krämern und Färbern. [124]

Die den Zünften verliehenen Statuten, gewöhnlich Gildebriefe genannt, sind von Bürgermeistern, Schöffen und Rat der betreffenden Stadt ausgestellt. In den meisten dieser Briefe besagen die genannten Behörden ausdrücklich, dass die Gilde-Genossen ihnen den Entwurf der Statuten vorgelegt und sie um deren Bestätigung gebeten hätten. Eine Ausnahme hiervon bilden die der Urkunden über die Errichtung von Tuchmachergilden, die von den Landesherren erteilt worden sind, namentlich die vom Herzog Wilhelm an die Stadt Geldern vom Jahre 1390. Ebenso sind die Statuten auf dem platten Lande, namentlich die der Dörfer des Amtes Geldern, von den betreffenden Drosten genehmigt. [125]

An der Spitze jeder Zunft standen ein oder mehrere von der Genossenschaft aus ihrer Mitte gewählte Vorsteher, die gewöhnlich den Namen Gildemeister oder Provisoren trugen. Die Ausübung eines Gewerbes beruhte in jeder Stadt ausschließlich in den Händen von Zunftgenossen. Da nun der Verkauf auswärtiger Gewerbserzeugnisse – mit Ausnahme an Jahrmärkten– gänzlich ausgeschlossen und verboten war, so ist es einleuchtend, welche großen Vorteile die Zünfte ihren Mitgliedern gewährten. Die Zünfte sorgten für die tüchtige Ausbildung des Handwerkers. Jeder Lehrling musste eine bestimmte Lehrzeit (2 Jahre) bestehen, jeder Geselle ein von der Zunft anerkanntes Probestück liefern, bevor er das Recht der Meisterschaft erhielt. [126]

Jede Zunft übte eine Art Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder. Bei schweren Vergehen fand die Ausschließung aus der Zunft statt, mit welcher der Verlust des Rechts zur Ausübung des Gewerbes verbunden war. Eines der wichtigsten Aufgaben der meisten Gilden war die Unterstützung der Armen und der Hilfsbedürftigen ihrer Genossenschaft. Sie unterstützen mit ihren Mitteln in der Stadt Geldern die lateinische Schule und steuerten bei zum Gehalt des Nachtwächters. [127]

Wie jeder waffenfähige Bürger auch war jeder Zunftgenosse zu Kriegs- und Wachtdiensten verpflichtet und musste daher bei seinem Eintritt in die Gilde mit der nötigen Ausrüstung versehen sein. Einzelne Zünfte hielten zuweilen auch ein Vogelschießen nach Art der Schützen-Bruderschaften ab. Jede Handwerkerzunft hatte ihre eigene Fahne, welche gewöhnlich das Bildnis ihres Schutzheiligen und das städtische Wappen trug. [128]

Die mutmaßlich älteste und auch vornehmste, reichste und wohltätigste von allen städtischen Gilden war die Innung der Kaufleute (Klöskesgilde) zu Ehren des heiligen Nikolaus, die in Geldern erstmals 1466 erwähnt wird. [129]   

In den Städten Geldern und Zutphen waren die Gilden und Zünfte von einer Teilnahme am Stadtregiment ausgeschlossen, während zu Nimwegen, Roermond, Venlo und Arnheim die Zünfte einen bedeutenden Einfluss auf das städtische Regiment besaßen. [130] Herzog Karl von Egmond, seine Gemahlin Elisabeth, sein Bastardbruder Rainer von Geldern und mehrere Adelige waren Mitglieder der Nikolaus- oder Krämergilde zu Arnheim. [131]

Im Vergleich zu Kleve, Kurköln und Jülich war das Gildewesen im Herzogtum Geldern insgesamt nicht nur zahlreicher, sondern auch berufsmäßig weitaus differenzierter vertreten. Wobei noch ein weiterer Unterschied von großer Bedeutung gewesen ist: In Geldern sind die Gilden in Vergleich zu den vorgenannten Territorien auch politisch wirksame Verbände gewesen. Die Zusammenstellung der bis 1400 belegten Gilden und Zünfte zeigt u.a. recht deutlich den Stellenwert der textilerzeugenden und verarbeitenden Gewerbe im Niederrheinland. [132]

 

Das Bier

Das Bier wurde von alters her aus Getreide, namentlich Gerste, Hafer und Weizen bereitet und erhielt vor Einführung des Hopfens (ab 11. Jh.) durch Beimischung eines Bitterkrauts einen angenehmen Geschmack und eine größere Dauerhaftigkeit. Zu den dabei benutzten Bitterkräutern gehörte auch die an vielen Orten des Gelderlandes wild wachsende Pflanze Gagel oder Gruot (myrica gale), von welcher das damit gebraute Bier im Gegensatz zum Hopfenbier die Benennung Gruitbier erhielt. [133] Die Gruit (Kraut) bestand aus den unterschiedlichsten Zutaten, vor allem aus den Blättern des Gagelstrauchs, der in den Moor-, Sumpf- und Heidegebieten des Niederrheins gedieh. Hinzu kamen dann Porsch (wilder Rosmarin), Kümmel, Lorbeer und Wacholder. Weitere Zutaten zur „Geschmacksverfeinerung“ wurden beigemengt: Harz, harte Eier, Kreide, Torf, Ruß, Ochsengalle, Schlangenkraut; für Duisburg sind auch Kirschen als Bestandteil der Gruit bezeugt. [134]

Die Bereitung von Bier war in alter Zeit ausschließlich Recht des Grundherrn (der das Recht gewöhnlich einem andern für eine jährliche Pacht überließ), auf dessen Kosten das Bitterkraut gesammelt, getrocknet und durch so genannte Fermentarii zubereitet wurde. Wer brauen wollte, musste das Kraut gegen einen hohen, die Steuer gleichsam einschließenden Preis im Gruithause des Herrn erstehen; gebrauchte er fremde Ingredienzen, so unterlag er strenger Strafe. [135] Unter Gruit verstand man daher im Mittelalter das dem Grundherrn zustehende Recht der Bierbereitung.

Die Gruit wussten die größeren Städte des Oberquartiers im 14. Jahrhundert durch Anpachtung in ihre Hände zu bringen. Ihre Bedeutung für den städtischen Haushalt wird augenscheinlich, wenn man bedenkt, dass z.B. in Geldern die Einkünfte aus der Gruit – nach denen aus dem Weinhandel – rund ein Viertel der städtischen Gesamteinnahen ausmachten. [136] Goch hat es offenbar als erste Stadt des Oberquartiers verstanden, die Gruit pachtweise an sich zu bringen, denn bereits für 1367 ist bezeugt, dass ihr die Gruitpacht vom Herzog verlängert worden sei. Weitere Pachtverlängerungen sind für 1370 und 1382 überliefert. [137] Venlo hat es 1379 geschafft, die Pacht der Gruit in ein Erbpachtverhältnis umzuwandeln. Besitzer war der Herzog, der die als Pfand an Dritte weiterreichen konnte. Schließlich kaufte die Stadt im Jahre 1427 die Gruitrechte dem Herzog ab. [138]

Das Gruitrecht war in Roermond und Straelen grundherrlicher Natur. Während Straelen nicht in der Lage war, die zuerst 1372 in Privatbesitz genannte Gruit anzupachten – das Stadtrecht von 1428 sollte ausdrücklich die Gruitrechte des Sander van Kodinghoven nicht schmälern, und noch 1554 ist die Straelener Gruit Privatbesitz gewesen [139] , konnte die Stadt Roermond zu einem quellenmäßig nicht belegten Zeitpunkt die Gruit von Wilhelm van den Gruithaus ankaufen und ließ sich diesen Besitz 1410 durch den Herzog bestätigen. [140]

Am 20. Juli 1390 gab Herzog Wilhelm der Stadt Geldern seine dortige Gruit auf 8 Jahre gegen eine jährliche Summe von 100 brabantische Mark in Pacht, unter der Vorschrift, dass die Stadt stets gute Gruit liefern und niemand im ganzen Amte Geldern Bier verzapfen dürfe, es sei denn mit der Gruit zu Geldern bereitet. Dieses Privileg war höchst einträglich. [141] 1397 verlängerte Wilhelm zugunsten der Stadt Geldern die Pachtzeit seiner zu Nieukerk gelegenen Gruit des Amtes Geldern auf 8 Jahre. [142]

Herzog Rainald IV. (1402–1423) verpfändete am 17. Januar 1408 der Stadt Geldern seine Gruit in der Stadt und im Amte Geldern auf 12 Jahre für 1.500 geldern´sche Goldgulden, wobei er die frühere Anordnung des Herzogs Wilhelm über die Berechtigung der Stadt zum ausschließlichen Bierverkauf im erwähnten Amte bei Strafe von 3 Pfund erneuerte. Noch am nämlichen Tage setzte der Herzog die Bewohner des Drostamtes hiervon in Kenntnis, indem er seinen dortigen Beamten, dem Drosten, Vogten, den Schultheißen, Schöffen, Honnen und Boten den Befehl erteilte, darauf zu achten, dass niemand anderes Bier braue oder verzapfe, als das mit seiner Gruit zu Geldern bereitete, ebenso, dass niemand Hopfenbier verzapfe, welches nicht in der Stadt gebraut und geholt sei. Bereits am 2. Februar 1408 zahlte die Stadt die Pfandsumme und verpachtete sodann die Gruit auf 6 Jahre gegen eine jährliche Summe von 40 Goldschilden, wobei sie es den Anpächtern zur Bedingung machte, stets gute Gruit zu liefern in der Qualität und im Preise, wie solche oben und unten im Lande verabreicht würde. [143]

Am 19. März 1427 verpfändete Herzog Arnold von Egmond (1423-1473) der Stadt Geldern seine Gruit in der Stadt und im ganzen Drostamte auf weitere 12 Jahre für 525 alte goldene französische Schilde. [144]

Die Stadt Geldern besaß so zufolge des ihr bei jedesmaliger Verpachtung und auch später bei Verpfändung der Gruit durch den Herzog eingeräumten Privilegs das ausschließliche Recht zum Brauen und Verzapfen von Bier im ganzen Amt Geldern. Die Stadt Geldern besaß dieses Monopol auf Kosten der Umgegend und suchte dieses streng zu handhaben. Seit dem Jahre 1453 fing man jedoch in der Vogtei Gelderland an, auswärtige Biere, namentlich Wachtendonker Gruitbier zu verzapfen, und bald nachher begann man sogar selbst Bier zu brauen. Die Stadt erlitt hierdurch große Verluste, indem ihre Akzisegefälle von Bier, welche im Jahre 1454 noch 745 Mark betrugen, in 2 Jahren auf 320 Mark herabsanken. Gegen diese Eingriffe in ihre Rechte rief die Stadt die Hilfe des Drosten und später auch die des Herzogs an, welche beide mehrmals diesen Sachverhalt treffende Verbote erließen, ohne dass dieselben Beachtung fanden. [145]

Die Vogtei Gelderland bemühte sich jetzt hinsichtlich dieser Angelegenheit, den Herzog Arnold (1423–1465) zur Aufhebung des städtischen Vorrechtes zu bewegen, und in der Tat gelang es ihr, von ihm einen Kompromiss zu erwirken, wodurch er den Honnen, Schöffen und der ganzen Gemeinde seiner hörigen Leute der Vogtei Gelderland versprach, die der Stadt verpfändete Gruit einlösen und nie wieder an diese verpfänden zu wollen. Durch Urkunde vom 29. Juni 1455 wiederholte der Herzog diese Zusicherung, indem er zugleich den Eingesessenen der Vogtei, einschließlich der auf seinen schatz- und dienstpflichtigen Höfen wohnenden Leute, auf ewige Zeiten das Recht verlieh, an jedem beliebigen Orte dieses Gebietes Gruitbier, Hopfenbier, Kuit oder andere Getränke zu brauen, unter der Verpflichtung, ihm dagegen eine Akzise zu entrichten, welche jährlich in Aldekerk und Nieukerk öffentlich verpachtet werden sollte, jedoch weder an einen Ausländer, noch an einen Bürger der Stadt Geldern. Die für die letztere durch die Entziehung ihres bisherigen Vorrechtes entstehenden großen Verluste waren umso empfindlicher, da die Vogtei nach der 2 Jahre später erfolgten Einlösung der verpfändeten Gruit jedes aus der Stadt dorthin einzuführende Fass Bier mit einem Gruitgelde von einem alten Braspfennig belegte. [146]  

Gegen diese Maßregel wandte sich die Stadt mehrmals an den Herzog, jedoch ohne Erfolg. Noch im Jahre 1477 erklärte sie dem Drosten, dass den Brauern wegen jener Abgabe in der Vogtei Unrecht geschehe. Im Jahre 1480 gewährte sie den Brauern für die von ihnen früherhin entrichtete Steuer eine Entschädigung von 66 rheinischen Gulden. [147]

Am 13. Februar 1531 bewilligte Herzog Karl von Egmond (1492-1538) der Stadt Geldern die Erhebung von  1 1/2 Stüber brab. oder 18 Mörken von jedem im Neeramte Geldern gebrauten Fass Bier auf die Dauer von 6 Jahren, unter der Anweisung, den Ertrag zur Wiederherstellung ihrer Mauern und Türme zu verwenden. [148]

Die Bierbereitung, ein bedeutender Zweig der städtischen Industrie, erhielt nach 1543 durch die weit günstiger gestellte Konkurrenz der nächsten Umgegend einen harten Stoß. Die Bewohner von Pont und Veert legten nämlich auf den äußersten Grenzen ihrer Gemeinden, dicht vor den Mauern der Stadt, Brauereien an, wodurch sie den Stadtbewohnern in unmittelbarer Nähe ein weit billigeres Bier verabreichen konnten, als die städtischen Brauer, welche von ihrem Erzeugnis hohe Akzise bezahlen mussten, während die Einwohner des Neeramtes - wenigstens die von Pont zufolge eines Weistums vom Jahre 1413 - von jeder Biersteuer befreit waren. Indem hierdurch den städtischen Brauereien den Absatz nach dieser Seite hin genommen wurde, entstand denselben in gleicher Weise eine höchst nachteilige Konkurrenz durch die Brauereien in der Vogtei Gelderland. Diese entrichteten dem Landesherrn von ihrem Erzeugnis eine Steuer, deren Höhe dem Betrage der städtischen Bierakzise bei weitem nicht gleichkam, sodass sie beim auswärtigen Verkauf gegen die Brauer der Stadt in erheblichem Vorteil waren. Die Stadt hätte allerdings durch eine Ermäßigung der Bierakzise die üble Lage der Brauereien in Geldern verbessern können, doch scheint es, dass sie dadurch eine zu bedeutende Abnahme dieser ansehnlichen Einnahmequelle - die Bierakzise bildete gewöhnlich ein Drittel aller Einkünfte - und somit ein Defizit in ihrem Haushalt herbeizuführen befürchtet habe. Angesichts dieser misslichen Verhältnisse, welche den Wohlstand der Stadt mit einem gänzlichen Ruin bedrohte, sandte der Magistrat den Drosten Hermann von Wyhe an die Königin-Statthalterin, um dieselbe um Bestätigung ihrer alten und Erteilung neuer Privilegien gegen die Frevelmütigen der Vogtei und die Gutwilligen des Neeramtes zu bitten. Die Stadt beantragte hauptsächlich die Aufrechterhaltung ihres Vorrechtes, nach welchem die Drostamtsbewohner ihre Erzeugnisse ausschließlich auf dem Wochenmarkte in Geldern feilbieten mussten, ferner die Erhöhung der Biersteuer in dem Amte Geldern und eine Unterstützung ihrer armen Bürger bei der Anlage von Ziegeldächern. [149]

Trotz der großen Bedeutung und des hohen Alters der städtischen Brauereien trifft man Nachrichten über eine Brauergilde erst mit dem Jahre 1582 an. [150] Es galt die Bestimmung, dass diejenigen Brauer, welche dünnes Bier brauten, kein dickes Bier und umgekehrt brauen oder verkaufen durften. In Venlo war es untersagt, sowohl in der Stadt als auch nach außen hin das Bier höher oder niedriger im Preise zu verkaufen, als wie der Magistrat denselben festgesetzt hatte. [151] Die Zunft bestand aus dem angesehensten und wohlhabendsten Teile der Bürgerschaft [152] ; in Zons stellten die Bierbrauer Bürgermeister, Ratsherren und Schöffen. Das niederrheinische Bier genoss einen guten Ruf. Als Bayern gegen Ende des 16. Jahrhunderts sein Brauwesen in größerem Umfang aufbaute, griff man auf die Erfahrungen und die Mitarbeit  niederrheinischer Braumeister zurück. [153]

In Kalkar gab es um 1503 42 Bierbrauereien, die für den Export produzierten und 22,7% der gesamten städtischen Jahreseinnahmen erbrachten. Die Stadt war durch Bier und Wolle groß, reich und ansehnlich geworden. [154]

Das Hopfenbier ist am Niederrhein erstmals 1384 nachgewiesen (in Wesel). [155] Um 1450 war dieses erste „Altbier“ am gesamten Niederrhein verbreitet. Das neue Hopfenbier hatte gegenüber dem Gruitbier erhebliche Vorteile: Der Hopfen, dessen beruhigende und konservierende Wirkung schon lange bekannt war, garantierte eine längere Haltbarkeit des Bieres, und die Beschränkung auf die Brauzutaten Braugerste, Hopfen und Wasser sorgte für einen relativ gleich bleibenden Geschmack des Bieres. Die Gärung besorgten die wilden Hefen, und die Unberechenbarkeit dieser zufälligen Gärung ließen so manchen Brauvorgang misslingen. Dieses erste Altbier war von rot-brauner Farbe und wurde daher gelegentlich „Rotbier“ genannt. [156]

Das Hopfenbier wurde zunächst verboten, da den Inhabern des Gruitregals erhebliche Einnahmeverluste drohten, bis man das Braumalz besteuerte. Damit war die erste echte Biersteuer eingeführt, denn im Gegensatz zum Gruitgeld wurde nur noch kassiert, aber nichts mehr geliefert. Um 1450 hatte sich die Braumalzsteuer am Niederrhein allgemein durchgesetzt, und dem Erfolg des Hopfenbiers stand nichts mehr im Wege. [157] Gegen Mitte des 16. Jahrhundert verlor auch der niederrheinische Wein [158] seine Vorrangstellung gegenüber dem Bier. Sowohl in der Ernährung als auch im sozialen Leben der Niederrheiner hatte das Bier seinen festen und bedeutsamen Platz weiter ausgebaut. Bei den enormen Biermengen, die damals konsumiert wurden, handelte es sich überwiegend um ein Schankbier mit geringerem Alkoholgehalt. [159] Aber auch die Armen, bekamen regelmäßig ihr Bierquantum. Aus christlicher Barmherzigkeit gründeten private Stifter und gelegentlich auch Städte „Gasthäuser“, die im heutigen Sinne Heim und Hospital für Arme und Siechen waren. Die Insassen der Gasthäuser wurden meist von Beginen und Begarden versorgt, die in religiöser Gemeinschaft lebten, ohne ein klösterliches Gelübde abgelegt zu haben. Gasthäuser entstanden am Niederrhein in Duisburg 1327, Neuss 1343, Goch 1358, Geldern und Erkelenz um 1400, Kleve 1428 und Xanten 1432. Im Gasthaus der Stadt Neuss stand jedem Insassen täglich rund 1,5 Liter Bier zu. [160] Als „nohtdürfftige Waaren“ galten gemäß einer jülich-bergischen Polizeiordnung aus dem Jahre 1554: Brot (an erster Stelle genannt), Bier, Fleisch, Fisch, Butter, Käse, Speck, Öl, Hering, Stockfisch, Schollen und Salz. [161]

Der Tag des Bürgers begann damals mit Bier und endete mit ihm. Den Frühtrunk bildete Suppenbier, dann gab es zugleich mit anderen Speisen des Mittags eine Biersuppe und abends warmes Eierbier. Rosinenbier und Zuckerbier, Fische und Würste in Bier gekocht, Bier in allen erdenklichen Formen, ungeachtet des kühlen Trunkes, der bei Besuchen, Beratungen, Marktgängen, Taufen und Trauergelagen allerorts herumgeboten wurde. Nie wurde in Deutschland mehr Alkohol getrunken als in der Zeit zwischen 1400 und 1700! Eine völlige Überschwemmung des Körpers mit Kohlensäure trat ein und mit ihr die Mutation des Aussehens. Alles lief mit Bierbräuchen herum. Sehr viele Fürsten, [162] Künstler, Gelehrte, Militärs und Genies waren infolge der Ernährung durch das Bier [163] wohlbeleibt: Gustav Adolf von Schweden und Heinrich VIII., Georg von Frundsberg und Martin Luther, Pirckheimer und Johann v. Staupitz, Peter Vischer und Hans Sachs, Händel, Johann Sebastian Bach, Christian IV. von Dänemark, die Kurfürsten Friedrich der Weise von Sachsen, Ottheinrich von der Pfalz, Friedrich Wilhelm von Brandenburg und unzählig andere. [164] „Der Alkohol war damals ein zweites Leben. Er befriedete längst kein Bedürfnis mehr, sondern riss immer neue auf, in die sich schließlich der ganze Mensch hineinstürzte wie vom tarpejischen Fels. Fürsten, Bürger, Handwerker, Gelehrte, Bauern, Soldaten und Adel zerschellten in diesem feuchten Loch. Die ewige Betrunkenheit, die damals Körper und Seelen lähmte, wirkte schlimmer fast als ein zweiter Krieg“ (Jacob). [165]

Das 16. Jahrhundert wurde für den deutschen Sprachraum schon von Zeitgenossen als Jahrhundert der Völlerei gebrandmarkt. [166] Dies galt auch für den Hof Wilhelms des Reichen, der als Haufen von Säufern und Trunkenbolden geschildert wird. „Noch mehr [als sein schreckliches Lachen] mißfiel ihr [nämlich der künftigen Braut Johanna von Navarra] an des Herzogs Hofleuten das erschröckliche Saufen, welches nicht eher ein Ende nahm, als biß sie gänzlich von Sinnen kahmen, und als todt in die schönsten Betten niederfielen, die sie dann auf das ärgste besudelten.“ [167] 20 Jahre später aber heißt es: „Er [Wilhelm der Reiche] ist ein sehr höflicher Fürst, der in seinen Gebräuchen und Maximen in Bezug auf das Trinken sich von der Art der Deutschen entfernt, denn er selbst trinkt sehr wenig und kann es weder sehen noch ertragen, daß sich jemand an seinem Hofe betrinkt.“ [168] Ob hier gewachsene Reife, gewachsene Trinkfestigkeit oder ein neues Verständnis von „wenig trinken“ vorliegt, entzieht sich unserer Kenntnis. Nach der Berechnung von Dinstühler sind um 1560 für die Verpflegung von Herzog, Gefolge und Hofstaat jährlich rund 15.000-30.000 Liter Bier bereitgestellt worden. [169]

Das Gruitrecht für Herongen überdauerte den Gebrauch von Gruit für das Bierbrauen. Als schon längst Hopfen die Gruit ersetzt hatte, waren die Grafen von Schaesberg mit der Gruit von Herongen belehnt. Als letzter Lehnsträger erneuerte am 24. November 1786 August Joseph Graf von Schaesberg, um mit dem Gruitrecht belehnt zu werden, den Lehnseid vor dem preußischen Justizhof zu Geldern. Das Braurecht zu Herongen brachte immer noch einen guten Ertrag. [170]

 

Die Tuchfabrikation

Im Gebiet um Duisburg und Moers standen der Flachsanbau und die Leinenweberei im Vordergrund. Sie erhielten wesentliche Impulse vom Tuchmarkt in Köln. Demgegenüber dominierten in den Geestgebieten des unteren Niederrheins mit ihren ausgedehnten Heide- und Weideflächen, auf denen man riesige Schafherden auftreiben konnte, um 1300 die Wollweberei und der Tuchhandel. Dabei waren im Binnenland vor allem die Tätigkeiten der Weber, der Färber und der Scherer verbreitet, die Handelsfunktionen dagegen mehr in den Verkehrszentren am Fluss. Über zwei Jahrhunderte blieben die Wollproduktion, die Verarbeitung und der Handel mit Tuchen die wichtigste Quelle des Wohlstandes in der Region. Die Produktion war offenbar so hoch, dass Flachs und Wolle, aber auch Leinöl und die Farbstoffe Krapp und Waid und in geringerem Maße Getreide ausgeführt werden konnten.

Die Schafzucht, eine wichtige Voraussetzung der Tuchweberei, fand so am Niederrhein gute natürliche Bedingungen; 10.000 Morgen groß war die Gocher Heide. Außerdem war Dordrecht, der große Stapelplatz englischer Rohwolle, leicht zu erreichen. Die zünftische Organisation der Wollweberei, der immer eine gewisse Anlaufzeit des Gewerbes vorausgeht, beginnt schon 1299 in Emmerich. Mit Emmerich schließen Goch und Kalkar 1325 einen Vertrag zur Regelung des Wollgewebes. Goch nahm dabei die erste Stelle ein. Wesel, Rees und Kalkar hatten vor 1350 Wüllenämter. Auch in Geldern und Xanten wurde Wolltuch produziert. [171]

Seine schon seit Beginn des 14. Jahrhunderts führende Stellung innerhalb der niederrheinischen Tuchproduktion verdankte Goch u.a. der schließlich in städtischen Besitz gelangten über 10.000 Morgen großen Gocher Heide und der seit 1367 in Erbpacht übernommenen (und behaupteten) landesherrlichen Walkmühle, die dann von der Stadt monopolartig genutzt worden ist. Auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwicklung in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts produzierten die Gocher Weber jährlich 200.000 Ellen Tuch. 1428 erbrachte der Verkauf von fast 5.000 Zentner Wolle eine Akziseeinnahme von 156 rhein. Gulden, das war fast ¼ der gesamten Einnahmen (670 rhein. Gulden, zum Vergleich: Wesel 2.236 rhein. Gulden) dieses Jahres. [172]

Tuche aus Goch, Geldern, Roermond und Zaltbommel erscheinen im 15. Jahrhundert auf dem Arnheimer Markt; die Weseler Ordnung von 1452 verbot dortigen Bürgern, mit den eigenen kurze fremde Laken aus Neuss, Roermond, Goch, Kalkar oder Sonsbeck auf verschiedenen auswärtigen Märkten zu verkaufen. Offenbar übernahmen Weseler Kaufleute insbesondere den Vertrieb von Tuchen des benachbarten Sonsbeck. Am Niederrhein findet sich insgesamt eine außerordentlich dichte Zone von Städten mit einem Tuchgewerbe, das nicht nur für den lokalen Bedarf bestimmt war. [173]

Im Jahre 1365 richteten verschiedene Städte des Landes Beschwerden an Herzog Eduard (1361-1371) und baten ihn um deren Abhilfe. Bei dieser Gelegenheit beklagte sich die Stadt Geldern über die Eingesessenen der benachbarten Vogtei, weil diese im Widerspruch mit den städtischen Privilegien sich ebenfalls auf die Wollweberei gelegt hatten. Die Stadt behauptete nämlich, das Monopol der Gewandbereitung durch das ganze Amt Geldern zu besitzen, und zwar aufgrund von Privilegienbriefen, welche sie von früheren Landesherrn erworben und noch in ihrem Besitze habe. Aus dieser Tatsache ergab sich, dass die Tuchfabrikation in der Vogtei bereits ansehnliche Fortschritte gemacht hatte und der städtischen Konkurrenz nicht unbedeutende Nachteile bereitete. Es scheint, dass die Stadt schon um diese Zeit sich nur mit Mühe im Genuss ihres Monopols erhalten konnte und die Vogtei unablässig bemüht war, sich ebenfalls diesen einträglichen Industriezweig zu sichern. [174] Für die Erteilung dieser ansehnlichen Vorrechte zahlte die Stadt Geldern dem Herzog 100 Goldgulden und den Personen, welche ihr zu deren Erlangung behilflich gewesen waren, 52 Goldgulden. [175]

Am 20. Juli 1390 gab Herzog Wilhelm der Stadt Geldern das Wollenamt in der Stadt und im Amte Geldern in derselben Weise und unter den nämlichen Bedingungen, wie die Stadt Goch ein solches in der Stadt und im Amte Goch von seinen verstorbenen Vorfahren und von ihm erworben hatte. Durch dieses Privileg erhielten die Wollweber zu Geldern, deren Zahl jedenfalls schon ziemlich bedeutend gewesen sein muss, das Recht, sich zu einer eigenen Zunft zu vereinigen und sich die Statuten und Einrichtungen der Weberzunft zu Goch anzueignen. Der Herzog fügte dieser Gunstbezeugung noch die Bestimmung hinzu, dass niemand in der Stadt und im Amte Geldern Gewand anfertigen dürfe, der nicht Bürger und Eingesessener der Stadt sei. Ferner erteilte der den Bürgermeistern und Schöffen der Stadt die Befugnis, die auf Übertretungen der Amtsstatuten gesetzten Strafen gemeinschaftlich mit den seitens der Zunft anzustellenden Geschworenen oder Vorstehern nach Belieben zu erhöhen oder zu ermäßigen. [176]

Die Wollenämter übten scharfe Qualitätskontrollen aus. Sie legten, als Zusammenschlüsse von Tuchwebern und -händlern, verbindliche Verfahrensweisen der Produktion, die Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit oder bestimmte Verkaufsauflagen für die Produkte fest. Die Arbeit bei unzureichendem Tageslicht war streng verboten, ebenso die Kinderarbeit. Übertretungen wurden mit ungewöhnlich hohen Bußen geahndet. Später musste jedes in den Handel gebrachte Tuch von 2 Sieglern abgestempelt werden. Das Ziel dieser Vorschriften war in erster Linie die Qualitätssicherung, um den niederrheinischen Tuchen auf den großen Märkten, vor allem in den Niederlanden, in Flandern und in Westfalen, einen guten Ruf zu schaffen und zu erhalten. Zugleich sollten diese Vorschriften aber natürlich auch die eigene Marktstellung festigen und das Eindringen unerwünschter Wettbewerber erschweren.

Die Tatsache, nach welcher die Tuchmacher in Geldern die größeren Märkte des Landes zu besuchen pflegten und dort mit den in- und ausländischen Fabrikanten konkurrierten, lässt auf die Ausdehnung und Tüchtigkeit der örtlichen Webereien schließen. So erfährt man aus den Quellen, dass die Tuchmacher von Geldern im Jahre 1418 mit denen von Goch, Zaltbommel, Roermond, Eindhoven und Oorschot auf dem Markte zu Arnheim erschienen und in der dortigen Gewandhalle ihre Waren anboten. [177]   Auch auf den großen Messen jener Zeit in Flandern und Brabant erschienen Kaufleute selbst aus den kleineren niederrheinischen Städten. Sie nahmen den Vorteil wahr, dass die Waren von hier aus über den Rhein günstiger zu den großen Umschlagplätzen gebracht werden konnten als aus vielen anderen Gebieten.

Der Verkauf der Tuche fand in Geldern, ebenso wie in anderen Städten, in der Tuchhalle oder dem Gewandhause statt, welches bereits im Jahre 1349 unter dem Namen domus pannorum vorkommt. Es brachte um diese Zeit dem Herzog als Grundherrn der Stadt einen jährlichen Erbzins von 2 Mark 9 Denaren auf, während von den rings herum gelegenen Lauben, welche ebenfalls als Verkaufslokale dienten, zusammen 18 3/4 Schillingen an denselben entrichtet wurden. Die Zahl der Gewandstätten betrug in älterer Zeit 17. Beim Regierungsantritt des Herzogs Karl von Egmond (1492) wurden sie von der auf der Burg zu Geldern residierenden Katharina von Geldern mit einer Feldflur der Stadt beschenkt. Die Lage des Gewandhauses, welches entweder am Kornmarkte (nördlicher Teil des heutigen Marktplatzes) oder in der Nähe der katholischen Pfarrkirche zu suchen ist, lässt sich nicht mehr ermitteln. [178]

Der Stadt Geldern war das ihr durch Herzog Wilhelm im Jahr 1390 verliehene Recht der ausschließlichen Gewandfabrikation im ganzen Amte Geldern durch die Vogtei Gelderland entrissen worden, als die Bewohner dieses Gebietes nunmehr auch anfingen, den Verkauf ihrer Erzeugnisse dem montägigen Wochenmarkte in Geldern zu entziehen. Die Einwohner des Amtes Geldern waren nämlich verpflichtet, alle ihre Erzeugnisse auf dem Gelderner Wochenmarkt feilzuhalten, ohne solche anderwärts anbieten zu dürfen. Während die Bewohner des Neeramtes Geldern die Privilegien der Stadt respektierten, fingen die der Vogtei an, nicht allein ihr Getreide und ihre sonstigen Waren in entfernteren Städten feilzubieten, sondern auch in ihren Häusern allerhand Handel und Gewerbe, ja fast noch mit günstigerem Erfolg als in Geldern selbst, zu betreiben. Hierdurch erlitt sowohl die Einnahme der Stadt an Zöllen und Akzise, als auch die Gewerbetätigkeit ihrer Einwohner einen empfindlichen Abbruch. [179]

Die Domänen-Rechnung des Amtes Geldern vom Jahre 1497 besagt, dass man in früheren Zeiten zu Geldern Gewand anzufertigen pflegte und Herzog Arnold dieses Alleinrecht den städtischen Bürgern entzogen und den Eingesessenen der Vogtei zuerkannt habe, infolgedessen weder das Gewandhaus noch die Gewandstätten gebraucht würden. Die Amtsrechnung vom Jahre 1524 bekundet sogar, dass Herzog Arnold jenes Recht den Bewohnern der Vogtei verkauft habe. Die Stadt Geldern fuhr fort, sich bei den späteren Landesherren über die Eingriffe der Vogtei in ihre Privilegien zu beschweren. Herzog Karl von Egmond beschied daher im Mai 1498 Abgeordnete von beiden Seiten vor sich und seinen Rat, um ihre Ansprüche auf das Wollenamt und die Draperyen zu untersuchen. Während die städtischen Deputierten durch Vorlegung von Siegeln und Briefen ihre Rechte bewiesen, beriefen sich die der Gegenpartei auf einen Kompromissbrief, welchen die Vogtei am 29. Juni 1455 mit Herzog Arnold geschlossen habe, ohne jedoch diesen vorzeigen zu können. Karl fällte keine Entscheidung, befahl vielmehr den Abgeordneten der Vogtei die Einsendung jenes Briefes an seine Kanzlei oder Rechenkammer, um alsdann nach Recht den Streit zu schlichten. Über den weiteren Verlauf dieser Zwistigkeit sind wir ohne Nachrichten, ebenso über die Klage, welche die Stadt im Jahre 1538 auf der Tagfahrt zu Roermond wegen der Gewantereyen gegen die Vogtei vorbrachte. [180]

 

Die Wirtschaftskrise im 16. Jahrhundert

Versiegen des Getreideexportes. Nach der Einführung eines neuen niederländischen Schiffstyps für den Transport von Massengütern, der mit nur geringer Mannschaft gesegelt werden konnte, kamen statt der traditionellen Lieferungen vom Niederrhein immer größere Getreidemengen über die Ostsee nach Westeuropa, wo die neue Handelsmetropole Amsterdam und die anderen holländischen Städte ihr Getreide jetzt billiger aus dem Baltikum einführen konnten.

Krise der Tuchmacherei. Der zunehmende Import überseeischer Textilien hatte politische, ökonomische, technische und modische Gründe. Im Lauf des 15. Jh. entwickelte man in Holland neue Techniken in der Tuchverarbeitung, so dass die groben niederrheinischen Tuche mit den holländischen Erzeugnissen nicht mehr konkurrieren konnten. Das mehr auf die Tuchproduktion (Wolle) ausgerichtete Rheinland hatte die Dörfer nur in geringem Maß einbezogen, während in den Niederlanden seit dem 14. Jh. die Tuchherstellung für den Export, im Verlagswesen organisiert, sich auch auf dem Lande stark verbreitete. Infolgedessen ging in vielen niederrheinischen Städten die Tuchproduktion um 1500 stark zurück oder kam ganz zum Erliegen. So konnte das Wollenamt der Stadt Wesel im Jahr 1535 erstmals keine Einnahmen mehr aus Siegelgeldern verbuchen.

Auswirkungen der Reformation und der Glaubenskriege. Ausgeplünderte Dörfer, zerstörte Städte und eine durch Krieg und Seuchen dezimierte und ausgepresste Bevölkerung bewirkten eine dramatische Senkung des Lebensstandards. 

 

Literatur

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[1] Am nächsten kommt dem W. Jappe Alberts: Geschiedenis van Gelderland I. s´Gravenhage 1966, S. 133–188.

[2] Ennen, S. 72f.

[3] Nijhoff I, S. XI.

[4] Eine gute und knappe Übersicht der geldrischen Deichverfassung findet man in Johannes Schreiner: Der Schauzwang auf Deich und Schleuse. „Die dwanck op den dijk ind sleuse“. Die Entwicklung der Deichschauen am unteren Niederrhein vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Bielefeld 1995 (Schriften der Heresbach–Stiftung Kalkar 2), S. 40–78. Seitdem erschien noch A.M.A.J. Driessen unter Mitarbeit von G.P. van de Ven: Het Hollandsch–Duitsch Gemaal. Een waterstraatkundig monument tussen Nijmegen en Kleef / Das Holländisch–Deutsche Pumpwerk. Ein Kulturdenkmal der Wasserwirtschaft zwischen Nimwegen und Kleve. Utrecht 1999, bes. S. 22–39 (Wässerungen und Schleusen: die Bildung von Entwässerungssystemen im Mittelalter).

[5] Vgl. z.B. die Notiz in der geldrischen Hofhaltrechnung von 1342/43:...ghesant mit vele brieven aen riddere ende knapen in Nederbetuwe ende Oberbetwe, dat si comen tot Nymeghen alse van den diken te dedinghene (RhVjbl 34 [1970], S. 234); ferner NrhUB III Nr. 229; Th. Ilgen: Herzogtum Kleve II 1 Nr. 66.

[6] OBGZ Nr. 978; Nijhoff: Gedenkwaardigheden I Nr. 219; P. Weiler (Bearb.): Urkundenbuch des Stiftes Xanten I. Bonn 1935, Nr. 726; vgl. Th. Ilgen: Herzogtum Kleve I, S. 557.

[7] Janssen, S. 107.

[8] Johannes Schreiner: Eine Idee gewinnt Gestalt: Die Entwicklung der Deichschauen an Maas und Waal, Rhein und IJssel. In: Johannes Stinner und Karl-Heinz Tekath (Hrsg.): Gelre – Geldern – Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern (VHVG 100). Geldern 2001, S. 269-278.

[9] Spaen IV, S. 55.

[10] Henrichs: Culturhistorisches, S. 86f.

[11] Henrichs: Culturhistorisches, S. 87.

[12] Janssen, S. 104.

[13] Ennen, S. 73.

[14] Henrichs: Culturhistorisches, S. 87f.

[15] Henrichs: Culturhistorisches, S. 88.

[16] OBGZ Nr. 674 = OB Utrecht II Nr. 1133.

[17] Z.B. NrhUB II Nr. 957; Nijhoff: Gedenkwaarigheden I Nr. 221; AHVN 31 (1877), S. 135f.

[18] E. Liesegang: Niederrheinisches Städtewesen. Breslau 1897, S. 114–127; Th. Ilgen: Die Grundlagen der mittelalterlichen Wirtschaftsverfassung am Niederrhein. In: WDZ 32 (1913), S. 73–77. Zum Landesausbau in den Niederrheinlanden mit seinen Problemen allgemein F. Gorissen: Land am Niederrhein. Kleve 1949, S. 139, 188–198; F. Petri: Die Holländersiedlungen am klevischen Niederrhein und ihr Platz in der Geschichte der niederländisch-niederrheinischen Kulturbeziehungen. In: Festschrift Matthias Zender. Bonn 1972, S. 1117–1129; F. Gorissen: Die Düffel. Zur Geschichte einer Kulturlandschaft. In: Numaga 22 (1975), bes. 127–143; O. Moormann van Kampen: De historische ontwikkeling van het waterschapswesen, dijk- en waterschapsrecht in de Tieler- en Bommelerwaarden tot het begin der negentiende eeuw. In: Tieler- en Bommelerwaarden 1327–1977. Tiel – Zaltbommel 1977, S. 3–233, bes. 3–53.

[19] Janssen, S. 111.

[20] D. Willoweit: Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt. Landesobrigkeit, Herrschaftsrechte und Territorium in der Rechtswissenschaft der Neuzeit. Köln – Wien 1975, S. 306.

[21] Henrichs: Culturhistorisches, S. 88.

[22] Frankewitz: Städte, S. 34f.

[23] Frankewitz: Burg oder Mühle? Eine topographisch-historische Untersuchung zur Lage und Bauzeit der Burg und Mühle in Geldern. In: Geldrischer Heimatkalender 1982, S. 69–71.

[24] Frankewitz: Der Mühlenturm in Geldern. In: Geldrischer Heimatkalender 1985, S. 84.

[25] Frankewitz: Ämter, S. 74f.

[26] Henrichs: Culturhistorisches, S. 89.

[27] Henrichs: Culturhistorisches, S. 90.

[28] Henrichs: Culturhistorisches, S. 90.

[29] Henrichs: Culturhistorisches, S. 90f.

[30] Färber, S. 42.

[31] Färber, S. 43.

[32] W. Jappe Alberts: Van heerlijkheid tot landsheerlijkheid (Maaslands Monografieen). Assen 1978, S. 51–56;  K. Flink: Zur Entstehung des Landes und der Stadt Geldern: In. BMG 71 (1980), S. 4–9.

[33] W. Jappe Alberts ebendort; G.W.A. Panhuysen: De politieke verhoudingen tussen Brabant en Gelre en het Maasdaal gedurende de eerste helft van de 13e eeuw. In: Akademiedagen 15 (1963), S. 58f. – Eine Beschreibung der tota comitia Gelrensis nach Ausdehnung und Struktur am Ende des 13. Jahrhunderts bei L.S. Meihuizen: De rekening betreffende het graapschap Gelre 1294/95 (Werken Gelre 26). Arnheim 1953, bes. S. 137–142.

[34] Janssen, S. 101.

[35] Janssen, S. 107.

[36] Norbert Becker: Soziale Verhältnisse auf dem Land. In: Johannes Stinner und Karl-Heinz Tekath (Hrsg.): Gelre – Geldern – Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern (VHVG 100). Geldern 2001, S. 291-300, bes. 291-293.

[37] Johanna Maria van Winter: Die geldrische Ritterschaft. In: Johannes Stinner und Karl-Heinz Tekath (Hrsg.): Gelre – Geldern – Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern (VHVG 100). Geldern 2001, S. 287-290.

[38] B. M. J. Speet: Juden im Herzogtum Geldern. In: Johannes Stinner und Karl-Heinz Tekath (Hrsg.): Gelre – Geldern – Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern (VHVG 100). Geldern 2001, S. 337-342.

[39] Norbert Becker: Soziale Verhältnisse auf dem Land, S. 298.

[40] Van Schaik: Belasting, S. 222-245.

[41] Für die Jahre 1294/95 ist eine Rechnung aller gräflichen Domänen und Ämter überliefert. Diese Rechnung zeigt, dass sich der Haushalt der Grafschaft damals in der Übergangsphase von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft befand. Zum einen werden noch Naturaleinnahmen aus Einzeldomänen aufgelistet, die aber bereits teilweise in den Geldwert umgerechnet werden, zum anderen wird ohnehin in Geldbeträgen gerechnet. Zum größten Teil ist die Rechnung auch nicht mehr nach den Zentralhöfen der alten Dominalverwaltung gegliedert, sondern nach den neueren Territorialämtern. Veröffentlicht ist diese Rechnung von L.S. Meihuizen (Hrsg.): De rekening betreffende het graafschap Gelre 1294/95. Arnhem 1953 (Werken Gelre 26).

[42] Literatur zur geldrischen Finanzverwaltung: J. Kuys: De finan­ciële instellingen van het hertogdom Gelre. Een inventariserend overzicht. In: F. Keverling Buis­man u.a. (Hrsg.): Van hertogdom Gelre tot provincie Gelderland. Hoofdstukken uit de geschiedenis van Bestuur en Bestuursinrichting van Gelderland 1339-1989. Nijmegen 1990, (Werken Gelre 39), S. 27-51; Rémi van Schaïk: Taxation, public finances and the state-making process in the late Middle Ages: the case of the duchy of Guelders. In: Journal of Medieval History 19 (1993), S. 251-271; Bert Thissen: Landsheerlijke rekeningen als bron voor historisch onderzoek. Het voorbeeld van de laatmiddeleeuwse Gelderse rekeningen, gerelateerd aan Kleefs bronnenmateriaal. In: D.E.H. de Boer u.a. (Hrsg.): Vander Rekeninghe. Bijdragen aan het symposium over onderzoek en editiepro­blematiek van middeleeuws rekeningmateriaal, gehouden in Utrecht op 27 en 28 februari 1997. Den Haag 1998, S. 133-152; R.C.M. Wientjes: De rekening van Werner van Deventer en haar edi­tie. In: Ebenda, S. 27-37.

[43] Schomburg, S. 233. Kaiser Friedrich II. gestattete die Verlegung des Zolls von Arnheim nach Lobith (Mündung der IJssel). Im Jahre 1306 wurde Lobith von 2022 Schiffen passiert, von denen 1750 Zoll zahlten. Von 1355–1359 wurde der Zoll von Lobith nach Emmerich verlegt. Karl der Kühne schenkte den Zoll von Lobith 1473 an den Herzog Johann von Kleve. Zum Zoll kam noch ein Vorzoll, eine Naturalabgabe (hauptsächlich von Wein, Salz, Korn, Butter, Honig, Seife, Tonwaren, Hering, Fisch, Holz und Käse), so auch in Orsoij und Emmerich. Grundlegend: W. Jappe Alberts: Der Rheinzoll Lobith im späten Mittelalter. Bonn 1981 (Rheinisches Archiv 112).

[44] Von hier bis Kapitelende die fast wörtliche Wiedergabe von: Janssen, S. 101f.

[45] Henrichs: Das alte Geldern, S. 45.

[46] Henrichs: Das alte Geldern, S. 54.

[47] Frankewitz: Städte, S. 24.

[48] Nijhoff I, Nr. 113.

[49] Frankewitz: Städte, S. 26.

[50] Klaus Flink und Bert Tissen: Gelderns Städte im Mittelalter. Daten und Fakten – Aspekte und Anregungen. In: Johannes Stinner und Karl-Heinz Tekath (Hrsg.): Gelre – Geldern – Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern (VHVG 100). Geldern 2001, S. 205-241, bes. 220.

[51] Klaus Flink und Bert Tissen: Gelderns Städte im Mittelalter, S. 224.

[52] W. P. Blockmanns, R. van Schaik a. a.: Tussen crisis en welvaart: sociale veranderingen 1300-1500. In: Algemene Geschiedenis der Nederlanden, Bd. 4, S. 42-86, bes. 44.

[53] Van Schaik: Balasting, S. 183.

[54] Van Schaik: Balasting, S. 168-180, 316.

[55] Klaus Flink und Bert Tissen: Gelderns Städte im Mittelalter, S. 212.

[56] R. van Schaik: Belasting, S. 155–158.

[57] Nüße, S. 35f., 91–96; Venner, S. 37.

[58] R. van Schaik: Belasting, S. 149; Frankewitz: Städte, S. 31.

[59] R. van Schaik: Belasting, S. 149.157.

[60] R. van Schaik: Belasting, S. 149.157.

[61] Henrichs: Culturhistorisches, S. 91.

[62] Henrichs: Culturhistorisches, S. 91f.

[63] Niklot Klüssendorf: Studien zu Währung und Wirtschaft am Niederrhein vom Ausgang der Periode des regionalen Pfennigs bis zum Münzvertrag von 1337 (Rheinisches Archiv 93). Bonn 1974; Bruno Kuske: Die Handelsbeziehungen zwischen Köln und Italien im späten Mittelalter. In: Ders.: Köln, der Rhein und das Reich. Beiträge aus fünf Jahrzehnten wirtschaftsgeschichtlicher Forschung. Köln/Graz 1956, S. 1–47; Aloys Schulte: Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien mit Ausschluß von Venedig. I. Band: Darstellung. Leipzig 1900.

[64] Die Lombarden waren oberitalienische Kaufleute aus der Lombardei (meist aus Asti, Mailand, auch Lucca), die neben den Juden den Christen verbotene Geldgeschäfte (kanonisches Zinsverbot) gegen Unterpfand und Zins betrieben. Sie waren die „Bankiers des Mittelalters“. Weniger verfolgt als die Juden gaben sie Darlehen an Adel, Geistlichkeit und Bürgertum; für Städte und Landesherren waren sie erwünscht wegen hoher Abgaben, leisteten auch Dienste als Finanzverwalter, Zöllner, Münzer, Accise- und Steuerpächter. In Köln wurde 1296 ein Lombarde für 25 Jahre als Bürger aufgenommen, erhielt später gegen ein jährliches Schutzgeld eine Niederlassungskonzession; seit 1381 fanden Lombarden bei Zahlung eines erhöhten Bürgergeldes Aufnahme in das Bürgerbuch (Schomburg, S. 235f.).

[65] Henrichs: Culturhistorisches, S. 92.

[66] Nijhoff I, S. XXXI.

[67] Henrichs: Culturhistorisches, S. 92.

[68] Klaus van Eickels: Große Schiffe, kleine Fässer. Der Niederrhein als Schiffahrtsweg im Spätmittelalter. In: Dieter Geuenich (Hrsg.): Der Kulturraum Niederrhein. Band 1: Von der Antike bis zum 18. Jahrhundert. 2. Aufl. Essen 1998, S. 43–66.

[69] Henrichs: Culturhistorisches, S. 92.

[70] Marie Scholz-Babisch: Quellen zur Geschichte des klevischen Rheinzollwesens vom 11. bis 18. Jahrhundert. Wiesbaden 1971; Friedrich Pfeiffer: Rheinische Transitzölle im Mittelalter. Berlin 1997; Theo Sommerland: Die Rheinzölle im Mittelalter. Halle 1894 (Nachdruck Aalen 1978); Georg Droege: Die kurkölnischen Rheinzölle im Mittelalter. In: AHVN 168/169 (1967), S. 21–47; W. Jappe Alberts: Der Rheinzoll Lobith im süäten Mittelalter. Bonn 1981. Karte bei: Irmgard Hantsche : Atlas zur Geschichte des Niederrheins. 2. Auflage. Essen 1999, S. 49.

[71] Bondam II, Nr. 98.

[72] Bondam III, Nr. 33.

[73] Bondam IV, Nr. 37.

[74] Nijhoff I, S. XXII.

[75] Handvesten van Nymegen, S. 22 (zitiert bei: Henrichs: Culturhistorisches, S. 92f.).

[76] Henrichs: Culturhistorisches, S. 93.

[77] Bondam III, Nr. 76 ; Henrichs: Culturhistorisches, S. 94f.

[78] Henrichs: Culturhistorisches, S. 94.

[79] Henrichs: Culturhistorisches, S. 94.

[80] Handvesten van Nymegen, S. 159.

[81] Nijhoff I, S. XXIII.

[82] Nijhoff I, S. XXV.

[83] Henrichs: Culturhistorisches, S. 95.

[84] Henrichs: Culturhistorisches, S. 95f.

[85] Oberhalb von Köln wurde ein Schiff mit relativ hohem Heck und niedrigem Bug verwendet, dessen bauchige Gestalt auf hohe Ladefähigkeit deutet. Nach dem Fahrtgebiet (von Köln aus gesehen) wurde es „Oberländer genannt (Schnall, S. 795).

[86] Ennen, S. 75.

[87] E. Dösseler: Der Niederrhein und die Brabanter Messen zu Antwerpen und Bergen op Zoom vom Ende des 14. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. In: DJb 57/58 (1980), S. 47ff.

[88] Ennen, S. 76f.

[89] Prieur-Pohl, S. 308.

[90] Ennen, S. 77.

[91] Prieur-Pohl, S. 307

[92] Henrichs: Culturhistorisches, S. 96.

[93] Henrichs: Culturhistorisches, S. 96.

[94] Frankewitz: Städte, S. 35f.

[95] E. Daenell: Holland und die Hanse im 15. Jahrhundert. In: Hansische Geschichtsblätter 31 (1903), S. 3–47; F. Vollbehr: Die Holländer und die deutsche Hanse. Lübeck 1930; F. Petri: Die Stellung der Südersee- und IJsselstädte im flandrisch-hansischen Raum. In: Hansische Geschichtsblätter 79 (1961), S. 34–57; W. Jappe Alberts: De Nederlandse hanzesteden. Bussum 1969; V. Henn: Der niederrheinisch-ostniederländische Raum und die Hanse. In: Katalog Wesel 1991, S. 11–32; ders., Spannungen, S. 95ff.

[96] Z. W. Sneller: Deventer, die Stadt der Jahrmärkte. Weimar 1936.

[97] Henn, S. 102f.

[98] Henn, S. 103.

[99] Henn, S. 103.

[100] Ennen, S. 76.

[101] Henrichs: Das alte Geldern, S. 256 Anm. 37.

[102] Nijhoff: Bydragen I, S. 174; Henrichs: Das alte Geldern, S. 256 Anm. 37.

[103] F. Petri: Die Stellung der Südersee- und IJsselstädte im flandrisch-hansischen Raum. In: Hansische Geschichtsblätter 79 (1961), S. 34–57.

[104] Henn, S. 104.

[105] Henrichs: Das alte Geldern, S. 42f.

[106] Nettesheim, Beilage Nr. 6. Nach dem im Stadtarchiv zu Geldern befindlichen Original (Nr. 15).

[107] Nettesheim, S. 50. Nach seiner Auffassung dürfte diese sterfte vermutlich mit der Pest in Verbindung zu bringen sein, die im Jahre 1394 die Niederrheinlande heimsuchte.

[108] Nettesheim, Beilage Nr. 7.

[109] Henrichs: Das alte Geldern, S. 51.

[110] Eugen Haberkern / Joseph Friedrich Wallach: Hilfswörterbuch für Historiker. Erster Teil: A-K, 7. Auflage, Tübingen 1987, S. 285.

[111] Nettesheim, S. 50.

[112] Henrichs: Das alte Geldern, S. 51.

[113] Henrichs: Das alte Geldern, S. 51.

[114] Nettesheim, S. 51.

[115] Nettesheim, S. 50.

[116] Dautermann, S. 58.

[117] Dautermann, S. 53f.

[118] Henrichs: Das alte Geldern, S. 34.

[119] Über Wasserversorgung und Abwässer: Dautermann, S. 56f.

[120] Henrichs: Das alte Geldern, S. 229. Über die Pumpennachbarschaften: Karl Keller: Nachbarschaften im Gelderland. Geldern 1979 (VHVG 79).

[121] Henrichs: Das alte Geldern, S. 242.

[122] Henrichs: Das alte Geldern, S. 242.

[123] Henrichs: Das alte Geldern, S. 243.

[124] Henrichs: Das alte Geldern, S. 244.

[125] Henrichs: Das alte Geldern, S. 244.

[126] Henrichs: Das alte Geldern, S. 244.

[127] Henrichs: Das alte Geldern, S. 249.

[128] Henrichs: Das alte Geldern, S. 251f.

[129] Henrichs: Das alte Geldern, S. 252.

[130] Henrichs: Das alte Geldern, S. 250f.

[131] Henrichs: Das alte Geldern, S. 246.

[132] Klaus Flink und Bert Tissen: Gelderns Städte im Mittelalter, S. 226f.

[133] Zur Gruit grundlegend Aloys Schulte: Vom Grutbiere. Eine Studie zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte. In: AHVN 85 (1908), S. 118-146.

[134] Fonk, S. 20. Zu den Mischungsverhältnissen der Gruit Franz Irsigler: Hermann von Goch als Kölner Grutpächter. In: Edith Ennen und Dietrich Höroldt (Hrsg.): Aus Geschichte und Volkskunde von Stadt und Raum Bonn. Festschrift Josef Dietz zum 80. Geburtstag (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 10). Bonn 1973, S. 79-88, bes. S. 81.

[135] Henrichs: Das alte Geldern, S. 270.

[136] Flink, S. 94.

[137] Frankewitz: Privilegien, Nr. 13, 15, 17.

[138] Hansen, Nr. 23, 24, 40, 46.

[139] Frankewitz: Ämter, S. 324f.

[140] Sivré, S. 23.

[141] Nettesheim, S. 48f.

[142] Nettesheim, S. 49f.

[143] Nettesheim, S. 58.

[144] Henrichs: Das alte Geldern, S. 199.

[145] Nettesheim, S. 76f.

[146] Nettesheim, S. 77.

[147] Henrichs: Das alte Geldern, S. 271.

[148] Nettesheim, S. 119f.

[149] Nettesheim, S. 133.

[150] Henrichs: Das alte Geldern, S. 271.

[151] Henrichs: Das alte Geldern, S. 272.

[152] Henrichs: Das alte Geldern, S. 274.

[153] Fonk, S. 30.

[154] Fonk, S. 20.

[155] Zum Verdrängungsprozess Gert Fischer und Wolfgang Herborn: Geschichte des rheinischen Brauwesens. In Gert Fischer u.a. (Hrsg.): Bierbrauen im Rheinland (Führer und Schriften des Rheinischen Freilichtmuseums und Landesmuseums für Volkskunde in Kommern 28). Köln 1985, S. 9-118, bes. S. 28-37, sowie Franz Irsigler: „Ind machden alle lant beirs voll“. Zur Diffusion des Hopfenbierkonsums im westlichen Hanseraum. In: Günter Wiegelmann und Ruth-E. Mohrmann (Hrsg.): Nahrung und Tischkultur im Hanseraum (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 91). Münster/New York 1996, S. 377-397, bes. S. 390ff.

[156] Fonk, S. 21.

[157] Fonk, S. 21.

[158] Durch die seit dem Spätmittelalter einsetzende Klimaverschlechterung (weniger Sonneneinstrahlung und wesentlich kühlere Temperaturen) war der niederrheinische Wein so sauer geworden, dass er eine Zielscheibe allgemeinen Spotts wurde. Man sprach vom „Dreimännerwein“, den man nur zu dritt zu sich nehmen konnte: Einer trank und die beiden anderen mussten den Trinkenden festhalten. Und vom saueren Wein des Klosters Kamp bekam man angeblich einen schiefen Mund. Nach dem Dreißigjährigen Krieg gab man den Weinbau am Niederrhein ganz auf (Fonk, S. 22).

[159] Fonk, S. 30f.

[160] Fonk, S. 23f.

[161] Fonk, S. 26.

[162] Der prominenteste Bierliebhaber seiner Zeit war sicherlich Kaiser Karl V. Dazu und allgemein zum Thema Bier und Oberschichten vgl. die Bemerkungen bei Fernand Braudel: Sozialgeschichte des 15.-16. Jahrhunderts. In: Der Alltag. München 1990, S. 252-254. Vielleicht ging eine gesteigerte Wertschätzung des Bieres am Hof Wilhelms des Reichen auf den Erzieher und späteren Rat Konrad Heresbach zurück (so die Vermutung von Dinstühler, S. 477 Anm. 8). Dieser geht in seinem Traktat zur Fürstenerziehung von 1570 u.a. auf „Speise und Trank, die für die Gesundheit geeignet sind“ ein. Dort schreibt er zum Beispiel: „Von allzu reinem Wein muß man die Kinder gänzlich fernhalten, verwenden soll man eher von den Deutschen gut gebrautes Bier, weder allzu dickes noch frisches noch allzu altes“ (Hans Otto Mühleisen u.a. [Hrsg.]: Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit [Bibliothek des deutschen Staatsdenkens 6]. Frankfurt a.M. 1997, S. 193).

[163] Ein Liter guten Bieres enthält 5 Gramm Eiweiß und 50 Gramm Kohlenhydrate.

[164] Heinrich Eduard Jacob: Sage und Siegeszugs des Kaffees. Hamburg o.J., S. 71–73.

[165] Jacob, S. 76.

[166] Dazu und zur aktuellen Diskussion dieser These vgl. Gunther Hirschfelder: Bemerkungen zu Stand und Aufgaben volkskundlich-historischer Alkoholforschung der Neuzeit. In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 39 (1994), S. 87-127, bes. S. 87ff. und 93f.

[167] J. D. Köhler´s Wöchentliche Historische Münzbelustigung. Ausgabe vom 14. November 1731, S. 367. Siehe auch Günter Bers: Wilhelm Herzog von Kleve-Jülich-Berg (1516-1592) (Beiträge zur Jülicher Geschichte, H. 31). Jülich 1970, S. 10f. bzw. S. 8.

[168] Über den Besuch des Klever Hofes im April 1561 durch Fulvio Ruggiero und Nuntius Commendone siehe: Adam Wandruska: Nuntiaturberichte aus Deutschland, 2. Abt., 2. Band, Wien 1953, S. 98f.

[169] Horst Dinstühler: Zur Verpflegung des Hoflagers Herzog Wilhelms V. in Jülich mit Bier. In: Guido von Büren und Erwin Fuchs (Hrsg.): Jülich, Stadt – Territorium – Geschichte: Festschrift zum 75. Jubiläum des Jülicher Geschichtsvereins 1923 e.V. (Jülicher Geschichtsblätter 67/68). Jülich 2000, S. 475-489, bes. S. 488. Für 1 Gebräu Bier wurden gewöhnlich 8-10 Malter Gerstenmalz, 1 oder 2 Malter Weizen und meist 2 oder 3 Malter Hopfen verarbeitet. Die Jahresproduktion betrug zwischen 5 und 10 Gebräuen (Dinstühler, S. 487f.).

[170] Färber, S. 32.

[171] Ennen, S. 74.

[172] Klaus Flink und Bert Tissen: Gelderns Städte im Mittelalter, S. 228.

[173] Holbach, S. 640.

[174] Henrichs: Das alte Geldern, S. 258.

[175] Nettesheim, S. 49.

[176] Nettesheim, S. 338; Henrichs: Das alte Geldern, S. 258f.

[177] Nijhoff III, S. CLXI; Henrichs: Das alte Geldern, S. 259.

[178] Henrichs: Das alte Geldern, S. 259.

[179] Nettesheim, S. 132f.

[180] Henrichs: Das alte Geldern, S. 260f.